San Sebastián

Gourmethimmel über La Concha

Die Bucht der Sterne

Weltweit größte Dichte an Michelinsternen

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Am Abend steigen zischend, knatternd und pfeifend Leuchtraketen auf,  illuminieren den Himmel, kreieren geometrische Muster und lassen Sterne regnen auf die  sichelförmige Muschelbucht La Concha und den alten Stadtkern von Donostia, baskischer Name von San Sebastián.  

Es ist Semana Grande in Donostia, wie jedes Jahr Mitte August in der Woche um Maria Himmelfahrt, mit abendlichem internationalen Feuerwerkswettbewerb – die hohe Kunst der Pyrotechnik wetteifert mit der hohen Schule der Kochkunst.

Autor Rudolf Danner

Die baskische Gourmethaupstadt mit gerade mal 183.000 Einwohnern rühmt sich zurecht mit der weltweit größten Michelinsternedichte:
ARZAK, AKELARRE (Pedro Subijana) und BERASATEGUI sind mit jeweils 3 Sternen dekoriert, MUGARITZ besitzt 2 Sterne und ARBELAITZ, KOKOTXA, MIRADOR DE ULIA, ALAMEDA und ZUBEROA schmücken sich mit einem Stern.

Dazu findet der genussfreudige Baske neben den über 130 Pintxosbars, die mit traditionellen und oft unglaublich innovativen Tapakreationen Gourmets begeistern, eine Vielzahl kleiner angesagter Restaurants mit jungen ambitionierten Köchen, die fast ausschließlich in den Sternerestaurants ausgebildet wurden. So überraschen z.B. die Restaurants Xarma Jatetxea und Agorregi Jatetxea mit einem sternewürdigen „Menü Mercado“ für 25-30 Euro inklusive Wein, Wasser, Kaffee und Amuse bouche. Zudem wurde eine universitäre Einrichtung das “Basque Culinary Center” zur Ausbildung geschaffen, um den kulinarischen Ruf auf diesem Niveau zu halten.

Wir sind wortwörtlich die Made im Speck im Baskenland, freuen uns auf den 7-Sternekoch Martin Berasategui, die Einladung in den Männerkochclub Aitzaki, eine Pintxostour und den Besuch bei Marques de Riscal in der Rioja. Schlaraffenland im Baskenland, wo nicht nur gebratene Tauben in den Mund fliegen.

Ein kulinarisches Feuerwerk erwartet uns.

Percebes gehören zu den Entenmuscheln, werden als sündteure Delikatesse gehandelt (Portion im Restaurant etwa 50 Euro), von Percebeteros unter Todesgefahr von Brandungsfelsen gekratzt, möglichst im Meerwasser mit einem Lorbeerblatt gekocht und nach dem problemlos erlernbaren, zuweilen etwas ‚spritzigen‘ Öffnungsvorgang genussvoll geschlürft: Muschlig, fruchtig, bissig, salzig – einfach“ meerig“!

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Sociedades Gastronomicas

Männerkochclub Aitzaki

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Der Einzug der Matadores: unspektakulär ohne Fanfarenstöße, nicht in goldbestickte, Kostüme gezwängt, keiner wedelt die rote Muleta (Tuch), der Espada (Degen) blitzt nicht am Gürtel. Plastiktüten tragend schlendern sie die enge Gasse in der Altstadt von Donostia herauf, nehmen ein paar Stufen am Portal der Barockkirche Santa Maria vorbei und erreichen ihr Refugium, ihre eigene Kocharena AITZAKI (baskisches Wort für Ausrede, Entschuldigung). So heißt der traditionelle 1932 gegründete reine Männerkochclub, 108 Mitglieder zählt er.

Etwa 12.000 Männer treffen sich in Donostia regelmäßig in ca.150 “sociedades gastronomicas” – allein 60 in der Altstadt von San Sebastián, bereits 1887 wurde die erste gegründet.

Wir sind heute Abend eingeladen und warten gespannt auf den Beginn der Kochcorrida. Robo de toro – ein Gulasch aus dem Fleisch der Kampfstiere wird nicht serviert, die Basken achten auf Eigenständigkeit, Stierkampf ist eben spanische Tradition und wie die nur noch wenigen Befürworter sagen „ein einzigartiges archaisches Relikt europäischer Kultur“. Doch auch das spanische Parlament hat es gerade abgelehnt, den Stierkampf zum Kulturgut zu erklären.

Einige Regionen und Städte haben die Arenen geschlossen und Tradition Tradition sein lassen. “ Das Leiden der Tiere darf nicht zum öffentlichen Spektakel werden“, meint der Bürgermeister von San Sebastian, der Stadt, die für das Jahr 2016 zur europäischen Kulturhauptstadt gekürt wird und lässt ebenfalls die puertas de los toriles – hinter diesen Türen warten die Kampfstiere auf ihren Auftritt – schließen.

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Unsere Kochmatadoren begrüßen sich inzwischen mit dem baskischen Gruß unter Gourmetfreunden: kurzer Bauch zu Bauchkontakt ( vientre). Im Männerkochclub AITZAKI das übliche Ritual. Bei entsprechendem Umfang bzw. Volumen als Pufferzone ein völlig problemloses Unterfangen, ansonsten ist erhebliches Standvermögen gefragt. Und wir männlichen Gäste sollten bis zum nächsten Besuch noch am vientre arbeiten, meinten die anwesenden Mitglieder.

Der Arbeitsbeginn zur mittelfristigen Erfüllung dieser Vorgabe diesbezüglich sollte nun unmittelbar erfolgen. Kalorienbewusstes buchstäbliches Abarbeiten der zu erwartenden deftigen reichhaltigen Speisen schien kaum möglich.

Niedere, wenig schweißtreibende Tätigkeiten wurden zunächst zugeteilt: Gambas schälen- mit der Anweisung das letzte Glied stehen zu lassen, portionierte Merluzofilets trockentupfen, leicht bemehlen und auf dem Geschirrtuch in Formation auflegen, die aufgeschlagene Mayonnaise musste auf ihren Sardellengehalt hin abgeschmeckt und auf die Salatherzen gekleckst werden.

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Die höheren Weihen absolvierte routiniert das perfekt eingespielte fünf Mann starke Küchenteam, jeder an seinem Platz, das Geschirrtuch lässig in den Bund der mit Namen bestickten Kochschürze gesteckt, jeder verantwortlich für sein Produkt und dessen Zubereitung und jeder mit spürbarer Passion und Hingabe ohne Hektik und immer mit Zeit für einen Spaß und einen Schluck Txakoli, einen spritzigen Weißwein.

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Sogar auf das Wohl der eingeladenen weiblichen Gäste wird getrunken, die zwar den Tisch decken, die imaginäre Deadline zum modernen Aluküchenbereich aber nicht überschreiten dürfen – es sei denn es handelt sich um die vom Kochclub angestellte Reinigungsfrau.

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Überlieferte feste Regeln sind unumstößlich in den Statuten verankert: Keine Frauen am Herd, Gespräche über Politik und Frauen sind wegen des hohen Konflikpotentials unerwünscht, Essen und Sport sind bevorzugte Themen.

Glücksspiel ist verboten, harmloses Kartenspiel beliebt, Witze und Gesangseinlagen fast Pflicht. Langwierige sind die Aufnahmeverfahren (limitierte Mitgliederzahl, vererbbare Plätze), Fraueneinladungen sind nur zu besonderen Anlässen und an einem bestimmten Wochentag gestattet, Gästeeinladungen erfolgen nur durch Mitglieder.

Jeder muss sich nützlich machen, die Unkosten werden am Ende auf alle Teilnehmer umgelegt, ca.22. Euro pro Person einschließlich aller Getränke werden heute anfallen.

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Die Kochphilosophie ist einfach, auch wenn wie heute nicht ganz konsequent umgesetzt: Verwendung frischer regionaler Produkte, wenig Experimente, überlieferte Gerichte, traditionelle Zubereitung und besonderes Augenmerk auf Qualität und Geschmack.

Aitzaki ein bezeichnender Name war Ausrede und Entschuldigung zugleich, wenn sich die Männer schon vor über hundert Jahren – als Fischer oft monatelang auf See – von Haus(frau) und Herd in Ihre Txokos (baskisch Nische, Winkel) zurückzogen.

Glasaale, Chipirones, Sepia, Seehecht und Torta de quesa

Für das folgende typische Menü ist keine „Aitzaki“ notwendig: Salatherzen, Sardellencreme, Spargel- leider aus der Dose und Glasaale (angulas) aus Surimi als Vorspeise nett angerichtet und einfach schmackhaft, Chipirones en su tinta ( Sepia in eigener Tinte mit Zwiebeln geschmort), butterweich und in einer sämigen glänzenden tiefschwarzen Sauce serviert, als Zwischengang das abendliche Sternefeuerwerk über der Muschelbucht, dann knusprig gebackene-wahlweise panierte Seehechtfilets und als Dessert die sensationelle Torta de quesa von der Pintxobar La Vigna fast gegenüber.

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Ein Ohr als übliche Trophäe für besondere Leistungen der Matadores hätten sie redlich verdient – die Männer von Aitzaki nach dieser beeindruckenden Kochperformance – aber wie geschrieben: Carne de Toro stand nicht auf der Karte. Dafür aber baskische Lieder. Zum Abschied Besos, Küsschen für die Frauen, Agur heißt baskisch Tschüss und am Männergruß müssen wir trotz heutiger Volumenzunahme weiter arbeiten. Aber wo sonst sollte dieses Begrüßungsritual zelebriert werden, wenn nicht in Donostia, dem Gourmetnabel der Welt.

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Marches de Riscal

Eine Preziose aus dem All

Goldglänzend, rotviolett schillernd, mit silbernen Farbreflexen je nach Lichteinfall blendet die wellenförmige Titanverkleidung des futuristischen Bauwerks, Glasflächen zwischen Stahlstreben spiegeln das grüne Blattwerk der umgebenden Weingärten und die mittelalterliche Stadtsilhouette von Elciego mit mächtiger Kathedrale, im Hinterland zieht sich eine karge erdfarbene Landschaft bis zur Bergkette am Horizont.

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“LA COSA“ – das Ding, wie es von den Einheimischen genannt wird, gleicht einem gelandeten Raumschiff, mutet an wie ein Fremdkörper in einer idyllischen Umgebung, fordert das Auge des Betrachters, der fast verzweifelt nach bekannten Strukturen, nach einem Zentrum, nach Symmetrie und klarer Linienführung sucht und doch fasziniert ist von seiner optischen Präsenz. Beeindruckend wie Stararchitekt Frank Owen Gehry hier die den Flaschenhals umhüllenden Folien in seine Dach- und Verkleidungskonstruktion einbezogen, wie er das goldene Drahtflechtwerk der Riscalflasche in kühne Stahlkonstruktionen verwandelt, das Glaselement in weite Fensterfronten einbracht und dem scheinbar ästhetisch orientierten Bauwerk Funktionalität, Transparenz und Seele einhaucht hat. Dabei bewog den Kanadier, den Architekten des Guggenheimmuseums in Bilbao erst die Verkostung eines sensationellen Weins aus seinem Geburtsjahrgang 1929 zur Zusage für das Weindorfkonzept mit Bodega, Hotel und Gourmetrestaurant in Elciego.

50.000 Gäste betreut von 15 Fremdenführern finden sich jährlich im Weindorf ein, besuchen die Bodega, wo im Flaschenkeller La Cadedral alle Jahrgänge seit 1862 gelagert werden und König Juan Carlos seine eigenen Holzfässer reserviert hat.

80% der auf 1500ha, davon 220ha eigene, angebauten überwiegend Tempranillotrauben werden als Reserva ausgebaut, 20 % werden verzehrt, für die Weintherapie im Wellnesshotel verwendet oder finden sogar nach molekularer Texturveränderung als roter Traubenkaviar Eingang ins Menü des besternten Gourmetrestaurants von Francis Paniego, wo jetzt sein Ziehsohn Juan Pena studierter Agraringenieur das Zepter schwingt. Wie er im Interview betont, sieht er sich auch als Foodhunter. Er sucht im Umland besondere Produkte z.B. Zickleinfleisch, Wild, Gemüse, Käsesorten, achtet auf kurze Lieferwege und verarbeitet alles frisch und kreativ zu Gerichten, die nur ergänzend molekulare Details aufweisen.

Sein Menu Chirel beginnt mit dünnem Pinienbrot, schwarzen Olivenstangen, Gemüsepralinen, Sesamchips und Ziegenkäse angerichtet auf einem Stein. Das folgende Garnelencarpaccio wird von Traubenkaviar und dezenter Knoblauchcreme begleitet. Grünes Apfelsorbet, Minze, Gurke und Sprossen leiten die Hauptgänge ein. Zarter Galicischer Hummer mit Lauch und Kressebukett, gebratener Tunfisch mit Apfelpraline, Taube mit Brotpüree und als Dessert Mocchitoeis und-gelee mit Bananenchips, Toffeecaramel mit Zitrusfrüchten. Estupendo! Hervorragend – die Küche, die Weine, die traumhafte Kulisse, das Service im Hotel Marches de Riscal – nobless oblige.

Ein Löffel voller Glück

Martín Berasategui, 7 Michelin-Sterne

Wir sind überwältigt, stehen staunend im lichtüberfluteten sternedekorierten Kochtempel, bestückt mit raumteilenden Säulen, aluglänzenden Theken und Kochmodulen. Etwa 30 weißgeschürzte Köche bearbeiten faszinierende Produkte, hantieren mit Töpfen, Tiegeln, Pfannen und allerlei Küchengeräten, heben wunderliche transparente buntflüssige gefüllte Kügelchen und Ballone aus dem molekularen Tauchbad, achten auf die glühenden Fleischstücke unter dem Salamander, befüllen Phiolen und Schalen und platzieren perfekt angerichtete Teller auf dem Pass – und mitten in seinem Reich: Martin Berasategui.

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Konzentriert, geradezu liebevoll auf jedes Detail achtend fügt er vorbereitete Zutaten mit einer Kochpinzette zu einem kunstvollen Gemälde. Sein aktuell kreiertes Gericht- heute Avantgarde – morgen Klassiker: Geräucherter Ballon mit Mille-Feuilles von Endivien, Ölsardine, Wasserkresse, Vogelmiere- ein Traumgericht, das sein bekanntes Mille-Feuilles von 1995: geräucherter Aal, Foie-Gras, Frühlingszwiebel und grüner Apfel noch übertrifft. Ein absolut harmonisches Geschmackserlebnis mit ewigem Erinnerungswert wie auch die Squidorgie von 2001-alles vom Tintenfisch:

Klare Suppe mit Cracker, butterzarter Einlage und einem Raviolibeutel, der nach dem Einstechen seine cremige Tintensubstanz in die Tellervertiefung entlädt und neben dem Farbeffekt auch kaum fischige, leicht süßliche unerwartet angenehme Geschmacknuancen auf die Zunge zaubert. Eine modern interpretierte Variante des baskischen Klassikers: Tintenfisch geschmort in eigener Tinte. Nueva basca cucina – vera von einem überaus kreativen Koch, der die spanische Gourmetlandschaft in seinem 3 Sternerestaurant auf dem Lande in Lasarte-Oria, fast einem Vorort von San Sebastián, richtungsweisend mitgeprägt hat.

Er lehnt nichts kategorisch ab, verbindet völlig unaufgeregt Tradition und Avantgarde, verwendet regionale Grundprodukte, bedient sich überlieferter Kochtechniken, spielt virtuos mit molekularen Elementen und betont signifikant seine baskische Herkunft. „Mein Beruf kennt keine Grenzen“, sagt er und das ist nicht nur kulinarisch interpretierbar. Inzwischen ist er online weltweit mit seinen Restaurants und Projekten verbunden (Sevilla, Teneriffa, Shanghai, Dominikanische Republik, Costa Rica). Martín Berasategui, Küchenchef mit den meisten Michelin-Sternen, sieben an der Zahl, ist zum gastronomischen Markenzeichen geworden.

Sie sind inmitten von Marktleuten aufgewachsen. Ideal für einen Koch.

Ja, das Restaurant meiner Eltern war immer mein zweites Zuhause. Einfache, baskische Küche. Nur ein Kohleherd. Unsere Gäste waren Gemüsehändler, Bäcker und Fischer. Das war meine Schule. Mit 17 musste ich selbst an den Herd, mit 25 Jahren holte ich einen Michelin-Stern. Den ersten, den je ein Restaurant bekam, das im Untergeschoss liegt.

Ihre Restaurants firmieren weltweit unter Ihrem Namen. Das zeugt von Selbstbewusstsein, beinhaltet aber eine große Verantwortung dem Gast gegenüber – schließlich können Sie nicht überall präsent sein.

Sicher ist das eine große Verantwortung. Die verschiedenen Orte haben sich ergeben, weil ich so viele Schüler hatte. Wir nutzen heute die Möglichkeiten der Kommunikationstechnologie und organisieren die Ausbildungsreisen der Teammitglieder. Ich entwickle empfehlenswerte gastronomische Modelle, koche auf Events, publiziere viel. So bin ich immer nahe am Gast.

Sieben Sterne insgesamt. Finden Sie die Preise in der Sternegastronomie eigentlich angemessen? 

Mir erscheinen die Preise günstig, denn der Aufwand ist hoch. Das weiß ein Kenner zu schätzen. Wir haben sehr viele junge Paare, die auf ein Essen gespart haben und auch Leute aus dem Ausland, die viel Geld haben und sich das besondere Gourmeterlebnis etwas kosten lassen.

Versuchen Sie eine nahe Beziehung zum Gast aufzubauen?

Man muss Gäste freundlich empfangen, die eine Anstrengung unternehmen, um in ein Restaurant wie dieses zu kommen. Ich sage immer: Ich bin genauso groß im Stehen wie meine Gäste im Sitzen. (Eine selbstironische Aussage bei einer geschätzten Körpergröße von 1.65 m, Anm. d. Red).

Ihre Menükarte leiten Sie mit dem Spruch ein: „Die Natur ist weise. Man muss nur auf sie hören“. 

Kochen fängt immer mit guten Produkten an. Die Bauern, Pilzsammler, Viehzüchter sind ein Teil unseres Teams. Ohne sie könnten wir nicht arbeiten. Die Intelligenz der Natur ist wichtig und wir müssen die jungen Leute anhalten, die Zutaten wertzuschätzen. Außerdem muss der Welt klar sein, dass die Gerichte die jetzt als traditionelle Küche gesehen werden, einst moderne Gerichte waren. Wir müssen also Neuheiten verwirklichen, damit die folgenden Generationen sie als traditionell ansehen.

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Das Wort molekular hat einen etwas unangenehmen Beigeschmack erhalten. Sie nutzen diese Küchentechnik. 

Es gibt ständig Innovationen in der Küche, bei denen es letztlich darum geht, Ansätze herauszufinden, die den Beruf des Kochs wiederbeleben. Deshalb amüsiert mich die Diskussion um molekulare Küche. Es ist auch molekular, ein Brot zu backen, Käse, Schinken, Schokolade werden entsprechend behandelt. Ich nutze einfach alle sich mir bietenden Möglichkeiten und Techniken, um Gäste, die aus allen Teilen der Welt in meine Restaurants kommen, zu erstaunen. Innovation ist die tägliche Herausforderung und Verantwortung der Köche. Die spanische Küche ist an einem Punkt von großer Kontinuität angekommen. Es gibt viele Köche und jeder kocht anders, mit Persönlichkeit und mit viel Aufrichtigkeit.

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Zeichnet sich ein Trend zur “nature based cusine” ab? Im Noma in Kopenhagen werden Ameisen auf einem Creme-Fraichespiegel serviert.

Nun, ich stehe für das Land, in dem ich aufgewachsen bin. Hier gibt es beeindruckende Zutaten. Wir sind privilegiert. Worum es eigentlich geht ist, dass der Koch den Gast anregt. Das erreichst du nur, wenn Du professionell bist und viel über das Kochen und die Produkte weißt. Ich respektiere, was andere machen. Über Insekten weiß ich nichts. Ich erfinde Gerichte, die meine Persönlichkeit tragen.

Kennen Sie deutsche Köche?

 Aber ja, ich kenne viele, natürlich die Herren Wohlfahrt und Müller. Eine besondere Beziehung habe ich zu Joachim Wissler. Ich habe ihn eingeladen und danach waren wir in der Sociedad Gaztelubide, einem Männerkochclub, und auf den Märkten San Martín und La Brexta. Auch sein Restaurantleiter im Vendom ist sehr gut, er hat übrigens spanische Wurzeln.

Was bringt Ihnen die Zukunft? Was planen Sie? 

 Ich bin voll von Projekten. Für einige dient die Krise nur dazu, sich zu verstecken, für andere dient sie dazu, Mühlen in Bewegung zu setzen, und die einzelnen Mühlenflügel bringen neue Projekte hervor. Man muss immer vorausschauen und sich nicht mit den Dingen abfinden, weil sie einem gut gelingen. Aber man muss die Dinge, die man am vorigen Tag getan hat, verbessern. 

“My cooking is a reflection of my palate, my sensitivity and many small dreams”- Ihr eigenes Zitat. Haben sie große Träume?

Aber ja. Große Brücken zu so wichtigen Städten geschaffen zu haben und der auserwählte Koch zu sein, der dorthin geht, das ist mehr als ein großer Traum. Ich hätte nie im Leben gedacht, dass ich jemals da sein würde, wo ich heute bin.

San Sebastián ist mit 16 Michelinsternen Gourmetmetropole der Welt – vor Tokio, Paris, New York.

Die Ursache liegt wohl in der Liebe der Basken zum Essen, denn gutes Essen ist wie ein Löffel voll Glück.

PINTXOSBARS

Kulinarisches Straßenleben

Fast-Food auf Spanisch

Vor, nach oder anstelle des Abend- oder Mittagsessens sind sie unterwegs die Txikiteros und Pintxosfans in der Altstadt von San Sebastian, in der bekannten Calle 31 de Agosto Parte Vieja oder Fermín Calbetón auf der Suche nach den besten traditionellen oder auch innovativsten Pintxoskreationen.

Beginnen wir unsere „Tapeo“ ,hier die beliebteste Freizeitbeschäftigung mit sozialen und vor allem kulinarischen Elementen, mit den Klassikern „Gilda“(Anchovis, Oliven und Pimientos-guindilla) – benannt nach den Kurven einer Tänzerin aus einem Film mit Rita Hayworth – oder den verschiedenen Tortillavariationen. Sie führen fast ein bescheidenes Schattendasein unter dem unwiderstehlichen verführerischen Angebot, das die fast unendlich langen Theken in den mit stimmungsvollem antiken oder modernen Interieur ausgestatteten Bars schmückt.

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Liebevoll dekoriert, optisch ansprechend, mundgerecht angerichtet, geradezu aufreizend zur Schau gestellt reihen sich unzählige, stets frische Leckerbissen als Spießchen, in Gläschen, auf Tellerchen aneinander und können für je 2-4 Euro ausgewählt werden. Aus kleinen Häppchen, aus cazuelas, den kleinen Portionen von überlieferten Hausfrauengerichten, sind raffinierte Kunstwerke geworden:

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Zartes Backenfleisch der Fische, Glasaale, halbe Seeigel gefüllt, Seespinne gratiniert, Spanferkelbauch mit keksiger Kruste, Schweinsohr knusprig frittiert und leicht karamellisiert, Bacalaostücke roh auf einem kleinen Stövchen zum Selbergrillen und-räuchern serviert , dazu eine Phiole mit Rhabarbersaft , Foie gras mit Apfelgelee, Anchovis, Hahnenkämme, Lammnierenspießchen, Gambas im Knoblauchöl, Bauchspeck vom Tunfisch, Oktopus gegrillt, Ochsenschwanzravioli und Blutwurst, Fischrogensäcke, Flan vom Scorpionfisch, Steinpilze, Pimientos del Padrón, Gemüsetempurakreationen, Salate, Ziegenkäse und Schafkäse von Idiazabal und als Postre: Blätterteig-und Mandeltorte, Milch mit Nüssen und die berühmte Torta de Queso.

 

 

 

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Das Leiden beginnt, denn die nächsten Bars warten mit weiteren Gourmetabenteuern. Was ist nur aus den ursprünglich imit Brot gedeckelten Gläsern und aufliegenden Wurst- und Käsestücken, den Tapas der Feldarbeiter, geworden? Tradition und Avantgarde feiern Hochzeit in den Pintxobars.

Das dünnwandige Sidreglas wird mit kontrolliertem kühnen Schwung plätschernd aus über einem halben Meter Höhe daumenhoch mit Txakoli, einem jungen, fruchtigen, etwas säurebetonten, leicht prickelnden Weißwein gefüllt und kann als flüssiger Wegbegleiter zur nächsten Station mitgenommen werden. Wir lassen uns treiben, hören die Raketen wie jeden Abend während der Semana Grande aufsteigen und sehen wie sie ihre Sterne ausschütten auf die Pintxosbars, die ihr eigenes Feuerwerk an Köstlichkeiten präsentieren.

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Foodhunter-Tipps

Keine Berührungsängste! Am Wochenende scheinen die Pintxosbars überfüllt, aber Selbstbedienung und Stehplatz – auch draußen – sind kein Problem in lockerer kommunikationsfreudiger Atmosphäre.

  • Anzahl der konsumierten Pintxos merken – Abrechnung ist Vertrauenssache!
  • Das Angebot findet man auch auf schwarzen Schiefertafeln über der gut bestückten Theke
  • Nur Courage – auch aus der zweiten Reihe kann bestellt werden, sogar warme Pintxos werden schnell zubereitet!
  • Auf der “Ir de Tapas“ maximal 2 Pintxos pro Bar ordern, denn 4-5 Stationen sollte man schon einplanen!
  • Vorsicht, je nach Stationen geht der Konsum während der „tapeo“ nicht nur in den Magen, sondern auch ins Geld!
  • Glas mit Inhalt wird einfach zu nächsten Bar mitgenommen
  • Montag sind viele Bars geschlossen!
  • Von Januar bis April ist traditionelle Apfelweinsaison-Angesagte „Sidrerías“: Iretza (Sitzplätze im Fass) Astarbe und Gurutzeta in Astigarraga einem Vorort von San Sebastián.

TOP TEN DER PINTXOSBARS

1) A Fuego Negro calle 31 de Agosto, 31 Parte Vieja

2) La Cuchara de San Telmo calle 31 de Agosto, 28 Parte Vieja

3) Borda-Berri calle de Fermín Calbetón, 12 Parte Vieja

4) Martínez calle 31 de Agosto, 13 Parte Vieja

5) Zeruko calle Pescaderia, 10 Parte Vieja

6) La Vina calle 31 Agosto 3 Parte Vieja

7) Bartolo Fermin Calbeton 38-(Pintxoswörterbuch zum Start)

8) Txepetxa calle pescederia 5 (Anchovistempel) und mehrmaliger Pintxoswettbewerbssieger 9 Goiz-Argi-calle Fermín Calbetón 4 (Gambas)

9) La Cepa-calle 31 Agosto 7 (jamon)

10)  La Perla. Günstiges Mittagsmenü, Blick auf La Concha und Santa Clara – grandios!