von foodhunter
Kategorie: Esskultur

Foodpairing: Schwarze Bohnen, Quark, Essig und Olivenöl zum Dessert.

Foodpairing: Schwarze Bohnen, Quark, Essig und Olivenöl zum Dessert.

 

Geliertes Rhabarbersüppchen mit Oliven- und Zitronenstückchen, Vanilleeis und grasgrünem Estragon-Granité. Meerrettich-Sorbet mit Birne und Dörrfrüchten. Gurkenscheiben, in Vanilleöl mariniert, mit einem Mus aus schwarzen Bohnen, Quark, Essig und Olivenöl. Speck als luftiger Schaum, Limette als Mousse-Tropfen und geräucherte Mini-Baisers. Foodpairing macht’s möglich.

 

 

Autor Oliver Zelt

 

 

Für den Einstieg in die Gemüse-Dessert-Philosophie empfiehlt Dessert-Papst Christian Hümbs Blumenkohl zu kochen, ihn zu pürieren und ein, zwei Drops weiße Schokolade hinzuzutun. „Man wundert sich, wie wohlschmeckend Blumenkohl dann plötzlich als Dessert ist.” Ein cremiges Eis krönt den Blumenkohl-Nachtisch.

 

 

Es macht Spaß, Gemüse und Kräuter umzubauen, aus der Petersilie das Chlorophyll rauszuziehen und damit „etwas anderes grün zu färben, was von Natur aus gar nicht grün ist“.

 

Fast ironisch nennt Hümbs einen Gang „Verwirrung“. Und irritiert tatsächlich die Sinne: Der Speck sieht gar nicht speckig aus, sondern ist heller, luftiger Schaum, die Kokosnuss cremiges Eis und die Limette versteckt sich in fluffigen weißen Mousse-Tropfen. Wer sich jetzt noch nicht genug gewundert hat, staunt spätestens, wenn er in die knusprigen Mini-Baisers beißt. Die kleinen Schaumtörtchen hat Hümbs geräuchert.

 

Für den Berliner Stephan Garkisch sind Eissorten, die es zu kaufen gibt, einfach zu süß. Deshalb erntet er in seinem eigenen Garten Bronzefenchel, Tagetes oder Ysop macht aus den Kräutern sein eigenes Eis. Das Dessert sieht er als „tollen Kitzel.”

 

Sein Milcheis ist fantastisch gelungen. Die Krümel aus der Schote der Pompona-Vanille geben der Eiscreme ein atemberaubendes Vanille-Aroma mit „einem Hauch von Dörrfrüchten“. Schon holt der Koch die kleinen Taggiasca-Oliven aus dem Läuterzucker und schneidet sie klein. Nebenan zogen seit sechs Wochen fleischige Zitronen in ihrem eigenen Saft und Meersalz bis sie das Aroma von marokkanischen Salzzitronen haben. Garkisch nimmt nur die dicke Schale und zerteilt sie in kleine Schnitze und kandiert diese.

 

Die Nachspeise bleibt Nascherei, schmeckt aber zunehmend leicht sauer, manchmal salzig

 

Süßliches Vanilleeis, herbe Oliven, saure Salzzitronen – wird daraus eine verführerische Nachspeise? „Die wird köstlich“, lacht Garkisch und schaltet den Backofen aus. Eine halbe Stunde lagen dunkelrote Rhabarberstangen in etwas Zucker in der Wärme. Jetzt rührt er in den klaren Saft etwas Gelatine und lässt den Most leicht andicken. In das gelierte Rhabarbersüppchen kommen die Oliven- und Zitronenstückchen, einen Löffel Vanilleeis und als Krönung ein paar Splitter grasgrünes Estragongranité.

 

„Wenn der Gaumen durch das Wechselspiel unterschiedlicher Aromen ermattet ist, hat nur eine Geschmacksrichtung noch eine echte Chance, weil sie ganz anders ist: das Süße“, behauptet Gault Millau.

 

Mousse au chocolat, Creme Brûlée – die Klassiker verschwinden zunehmend von den Speisekarten. Neben Schokolade, Strudel oder Sahne liegen zum Menü-Finale manchmal Trompetenpilze Tannennadeln oder Trüffel auf dem Teller

 

Die Chefs wollen ihren Gästen einen neuen Geschmack kredenzen und diskutieren, was geht und was geht nicht. Karotte und Spargel sind fast so etwas wie Klassiker, die Gurke könnte ihre Dessert-Rolle finden, Erbsen gehen überraschend gar nicht, obwohl gerade die Jungen Perlen eigentlich zuckersüß schmecken.

 

Foodpairing zeigt, welche Zutaten sich ideal ergänzen und im besten Fall auf dem Teller ein Traumpaar bilden. Experten  zeichnen baumartige Kronen in deren Mitte zum Beispiel die Erdbeere sitzt. Verschieden lange Äste zeigen an, dass die Frucht sehr gut mit Basilikum, Paprika oder dunkler Schokolade zusammenpasst.

 

Christina Brugger, die Expertin für Lebensmittelsensorik  versucht zu erklären, warum manche Beziehung funktioniert, obwohl sie nicht Liebe auf den ersten Blick ist.

 

Karotten haben ein leichtes Veilchenaroma, weil „es eine aromatische Schlüsselkomponente gibt, die bei Veilchen und Karotten identisch ist. Erbsen dagegen fehlt ein Aroma-Detail, das man klassischerweise mit Süßem in Verbindung bringe. Mit Gurken lässt sich spielen, da diese eine Aromen-Verwandtschaft mit Melonen haben.”

 

Ihr Landsmann Rolf Caviezel kombiniert hauchdünn geschnittene Gurkenscheiben, die er in Vanilleöl mariniert hat, mit einem Mus aus schwarzen Bohnen, Quark, Essig und Olivenöl und drapiert kleine, mit Schokolade umhüllte Bananensticks hinzu.

Obwohl es „immer Schokoholics und Süßigkeitenfans geben wird“, werden die Desserts der Zukunft bewusst weniger süß, weniger fett und kalorienreduzierter. Es geht darum kulinarische Kontraste abzumildern und nicht darum Gemüse krampfhaft zu süßen.

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