Als Kevin Fehling sein Restaurant The Table eröffnet, ist die Hamburger Hafencity mehr Baustelle als Wohnquartier. Inzwischen ist das Viertel groß im Kommen und der Starkoch mittendrin. Mit nur 34 Jahren war er einst der jüngste 3-Sterne-Koch Deutschland. Inzwischen 42 und seither ununterbrochen auf 3-Sterne-Niveau. Ein Stress der Superlative und dennoch hat sich Kevin Fehling sein jungenhaftes Aussehen bewahrt, wirkt mega-entspannt als wir ihn in Hamburg treffen.
Interview Sabine Ruhland, Fotos ©foodhunter
Acht Monate Wartezeit für einen Platz unter der Woche, ein Jahr Wartezeit für einen Platz am Wochenende. Wenn die Gäste dann endlich die Tür passieren, gibt es sicher viel positive Aufregung?
Ja. Alle Emotionen bekommen wir da zu spüren: Freude, Aufregung, auch Stolz. Besonders im Gedächtnis bleibt mir eine Dame in Begleitung eines jungen Mannes. Sie war so aufgeregt, dass sie auf meine Begrüßung ‚herzlich willkommen’ mit ‚ja, herzlich willkommen’ geantwortet hat.
20 Plätze, da kommt man Gästen näher. Aber Stammgäste können es dennoch nicht werden – bei derartigen Wartezeiten?
Doch. Wir haben Gäste, die schon bei der Eröffnung Plätze im Abstand von einigen Monaten reserviert haben und uns regemäßig besuchen.
In vielen Restaurants reservieren Gäste und kommen dann ohne vorherige Absage einfach nicht. Ist das bei Ihnen auch vorgekommen?
Ja, aber nur zweimal. Da wir immer wissen, wer reserviert hat, wird dem Gast das Menü dann aber in Rechnung gestellt. Schließlich haben wir gerde mal 20 Sitzplätze.
Sie verlangen über 200 Euro für das Menü ohne Weinbegleitung. Da schlucken viele, andererseits könnten Sie angesichts der Nachfrage auch deutlich mehr verlangen.
Das ist nicht unserer Philosophie. 3-Sterne-Küche erfordert einen immensen Aufwand, das muss honoriert werden. Dafür kostet bei uns beispielsweise eine Flasche Wasser um die 7 Euro. Ich sage immer: wenn ich mein Geld mit Wasser verdienen muss, dann stimmt etwas nicht mit meiner Küche.
„3 Sterne gehören auf den Teller. Atmosphäre hingegen lässt sich nicht in Sterne kategorisieren.“
Gäste assoziieren mit Sterneküche oft silberne Platzteller, Damast und Opulenz im Raum. Ihr Restaurant wirkt zurückhaltend mit Farben und Deko, wenngleich die Haptik aller Elemente höchste Qualität vermittelt.
Ich habe mich früher selber gefragt, was mich eigentlich stört, wenn ich in einem 3-Sterne Restaurant esse. Es war diese oft sehr steife Atmosphäre. Im Moment entwickelt sich in Deutschland eine neue Esskultur und ich bin mit The Table Teil dieses Entwicklungsprozesses.
Hat Deutschland in Ihren Augen bislang keine Esskultur?
Wir sind technisch die Besten, liefern auch auf den Tellern das Beste. Aber die leidenschaftlich-traditionelle Esskultur wie in anderen Ländern, die fehlt uns. Ich war kürzlich in Spanien auf dem Markt und ein sehr alter Herr hat sich beim Fischhändler seine Ware ausgesucht. beide haben rege gefachsimpelt und über Filet, Mittelstücke und Schwanzstücke diskutiert. Hinter dieser Momentaufnahme steckt die Esskultur des ganzen Landes, die Tradition der hausgemachten Küche. So weit sind wir in Deutschland noch lange nicht.
Seit sechs Jahren sind Sie selbstständig. War es mutig oder übermütig von der Sicherheit des Hotels in Travemünde – für das Sie drei Sterne erkocht haben – in so jungen Jahren alles auf eine Karte zu setzen und in Hamburg mit neuem Konzept zu starten?
Mutig. Irgendwann wollte ich einfach konkret meine Ideen von Sterneküche umsetzen und Deutschland damit auch neu besetzen. Sterne gehören auf den Teller. Ich bin im Restaurant The Table auch Gastgeber und suche die Nähe zu meinen Gästen, will für sie ein Wohlgefühl kreieren. – Zudem muss ich sagen: Selbstständigkeit ist für jeden Koch eine andere Welt, irgendwie ein erhebendes Gefühl! Wenn es wirtschaftlich gut läuft, dann umso besser.
Aber auch ein Kevin Fehling kann nicht alles alleine machen…
Ich habe fast die komplette Mannschaft aus Travemünde mitgenommen.
Das hat dem früheren Arbeitgeber sicher Zornesfalten beschert?
Konzerne und Holdings, die sich nur noch die Immobilien hin- und herschieben, haben keinerlei Respekt gegenüber Mitarbeitern. Menschen bleiben als Persönlichkeit auf der Strecke, sind jederzeit ersetzbar und austauschbar. Im The Table sind wir eine Familie, stützen uns gegenseitig. Für meine Mitarbeiter gibt es keine Zeitverträge, sondern eine Festanstellung. Das ist mein Ausdruck für den Respekt gegenüber der Leistung meines Teams.
Was haben Sie im Restaurantablauf anders gemacht als andere?
Die Abläufe sind bei uns genau strukturiert. Alle Wege von Küche und Service sind optimiert, hinter der Theke stehen für den Gast unsichtbar griffbereit alle Gedeck-Utensilien. Die Reservierung läuft über ein klares System. Die ersten 10 Gäste kommen etwas früher als die nächsten 10, so dass es immer harmonisch im Service läuft.
Es ist immer wieder zu hören und zu lesen, Kevin Fehling plane dieses oder jenes. Von Bar bis Foodtruck ist in der Gerüchteküche fast alles dabei. Gehen Sie weg vom Beruf Koch hin zum Unternehmer?
Ich liebe das unternehmerische Tun, aber ich möchte auf meine Anwesenheit hier nicht verzichten.
Ihre Antwort lässt für Gerüchte irgendwie alles offen.
(lacht) Was soll ich sagen? Noch ist nichts spruchreif und kein Vertrag unterzeichnet.
Sie sind hochkarätiger Teil des foodhunter-Kochbuchs „Hamburg Cool Cuisine“. An welchem Rezept dürfen sich Hobbyköche die Zähne ausbeißen?
Mir gefällt das Kochbuch-Konzept sehr – die herausragenden Köche der Stadt, von Profis ausgesucht und nicht PR-äßig eingekauft –und deshalb ganz unterschiedliche Konzepte und Stilrichtungen. Eine kulinarische Hommage an die Hansestadt. Wir möchten da natürlich unsere Stellung behaupten: Gänseleber, Erdnuss, Ingwer, Alge. Eine Herausforderung!
