Der Sundgau ist ein gesegneter Landstrich. Wo die Schweiz und Deutschland zum Greifen nahe sind, an der Pforte zum Burgund, herrscht ein gemächliches Tempo auf den Straßen, denen oft sogar die Mittelstreifen fehlen. Dafür führen sie durch pittoreske Örtchen mit Bäckereien und stets imposantem Bürgermeisteramt. Nachmittags macht jedermann Platz für die Kühe, die gemächlich zum Melken in den Stall stapfen. Erlebnisverwöhnte Zeitgenossen mögen den Sundgau als verschlafen bezeichnen. Sollen sie ruhig, dann gehört der Landstrich weiterhin nur den Insidern.
Autor Karin Lochner, Fotos Peter von Felbert
Hier sind wir auf der Suche nach einer Spezialität, die ihren Ursprung im Berner Oberland hat, dem Simmentaler Rind. Im Bauernhof “Ferme de Gaspach”, mitten in Durlinsdorf werden wir fündig. Es riecht es nach Stroh und Heu. Ein Hund begrüßt mich schwanzwedelnd, zwei Katzen inspizieren das Auto. Offenbar sind Gäste eine Attraktion, obwohl es hier immerhin einen Hofladen gibt. Jede Woche holen sich Dutzende Dörfler, Restaurantköche und Feinschmecker ihre kiloschweren Portionen Simmenthaler Rind- und Kalbfleisches ab.
Wenn er die Kühe zum Melkstand führt, streichelt er sie und klopft auf ihre Flanken, dass es staubt.
Vor zwölf Jahren hat der Landwirt Nicolas Gerster den Stall modernisiert und damit begonnen nur noch hochwertige Fleischprodukte aus der Rasse Simmentaler Rind zu erzeugen. “Einfach sei das nicht”, sagt er. Alle seine Kälber erhalten nur Kuhmilch statt der weit verbreiteten wässrigen Milchpulvermischung. Er wirft die Mistgabel in den Heuhaufen, dass sie steckenbleibt, wie der Trefferpfeil auf einem Jahrmarktstand. Wenn er die Kühe zum Melkstand führt, streichelt er sie und klopft auf ihre Flanken, dass es staubt.
Die Rasse Simmenthaler ist selten auf den Feldern des Elsass geworden, denn sie gibt nur halb so viel Milch wie andere Rinderrassen
„Aber das Fleisch ist wunderbar marmoriert und unglaublich delikat“, schwärmt Nicolas‘ Frau Sandra. Sie wirkt so zart wie die Osterglocken, die vor der Eingangstür des Hofladens im Wind schaukeln. Und doch wuchtet Sandra schwere Eimer und Schüsseln ineinander und schleift Messer lang wie Macheten: Ihre Metzger-Utensilien. Nur hausgemachte Spezialitäten bietet sie im Hofladen an. Dafür absolvierte die Bäuerin Fortbildungen zum Wursten und Einlegen. Sie verknotet ihre Schürzenenden und blinzelt in die Sonne. Vor dem Schuppen, wo die Traktoren parken, tischt sie Teller mit Wurstscheiben auf, die verführerisch duften. Die bäuerliche Grundnahrung erobert archaisch meinen Gaumen, es schmilzt salzig und schroff auf der Zunge.
Die rustikalen Köstlichkeiten fordern eine filigrane Gegenspielerin, bemerkt die Landwirtin und öffnet einen Gewürztraminer für uns beide. Dieser Elsässer Rebensaft wird in Großstädten schon mal abfällig als Mädelswein verunglimpft. Wegen seiner fast orientalischen Süße. Hier hingegen harmonisiert sein Aroma mit dem wilden, puren Fleisch. Wie eine Girlande, die sich schmeichelnd um einen grob gehauenen Gartenzaun schmiegt und ihn zu einer Attraktion aufwertet.
Ferme du Grumbach mit Hofladen, 13, rue de Dannemarie 68480 Durlinsdorf, Tel. +33 (0)3 89 08 12 96. www.ferme-grumbach.com
In den nächsten Folgen:
der beste Carpe frite im ganzen Elsass, eine paradiesische Unterkunft, ein königlicher Käsekeller und ein besonderer Foodhunter-Tipp. Also weiter wissenshungrig bleiben!