Seit dem achtem Jahrhundert wird in der Hallertau Hopfen gepflanzt, das „grüne Gold“. Jede Brauerei der Welt braucht ihn, um dem Bier seine Seele zu geben. Unsere Foodhunter-Autorin Karin Lochner hat mit Fotograf Peter von Felbert eine typische Familie aus der Hallertau besucht und ihr bei der Ernte über die Schulter geschaut.
Autor Karin Lochner, Foto Peter von Felbert
Ein Tag im September, sechs Uhr morgens.Die Hopfenernte beginnt. Jetzt dreht sich alles um die 120.000 Hopfenstöcke der Familie Wittmann. Fünf verschiedene Sorten Hopfen baut Familie in Niederumelsdorf an. Heute wird der „Hersbrucker“ geerntet. Eine Hopfenart, die aufwändiger ist, als die anderen. Denn trotz der modernen Pflückmaschine bleibt immer ein Rest der wertvollen Ernte am Draht in sieben Meter Höhe hängen und muss einzeln mit der Hand gepflückt werden.
Der junge Hopfen wächst nur im Uhrzeigersinn nach oben. In 70 Tagen gut sieben Meter hoch.
Hopfen braucht eine Rankhilfe. Bis in das 20. Jahrhundert verwendete man Hopfenstangen. Heute sind es Hopfengerüste mit sieben Meter hohen Masten, die an ihrem oberen Ende miteinander verbunden sind. Von den Verbunddrähten gehen die Rankhilfen, die „Aufleitdrähte“ zum Boden. Der junge Hopfen wächst nur im Uhrzeigersinn nach oben. Warum das so ist, weiß niemand. Nicht einmal Wissenschaftler können dieses Phänomen erklären. Es könnte mit der Erdbewegung zu tun haben. Falls ja, dann müsste Hopfen auf der südlichen Halbkugel in die andere Richtung nach oben wachsen. Doch südlich des Äquators gibt es keinen Hopfenanbau. Vater und Sohn reicht die Erfahrung, dass die ganze Mühe des Aufwickelns am nächsten Tag wiederholt werden muss, wenn einer der Erntehelfer versehentlich den jungen Hopfen entgegen dem Uhrzeigersinn um den Draht gedreht hat und sich die Pflanze dem Wachsen verweigert. Der Hopfen wächst in 70 Tagen sieben Meter hoch, bei guter Witterung bis zu 30 Zentimeter am Tag. So schnell wächst keine andere Pflanze in unseren Breitengraden.
Die Halletau ist mit 1.500 Hektar das größte Hopfenanbaugebiet der Welt. Ein Drittel der Welternte stammt aus Bayern. Und wiederum nur ein Drittel der jährlichen deutschen Erntemenge wird in Deutschland selbst verbraucht. Zwei Drittel werden in über 100 Länder der Welt exportiert. Besonders kleine amerikanische Brauer, sogenannte Craft Brewer sind verrückt nach Hallertauer Hopfen. Obwohl die Hauptkonkurrenz aus dem US-Anbaugebiet Yakima kommt. Dort werden in der Wüste mit künstlicher Bewässerung Hochleistungspflanzen gezogen. Doch das passt nicht zu den Craft Brewers. Deutsche Braukunst steht hoch im Kurs bei den amerikanischen Verbrauchern. Tatsächlich avancieren die Craft Brewers inzwischen zu Trendsettern der weltweiten Bier-Szene. Auch Familie Wittmann liefert Hopfen in die Vereinigten Staaten: die Sorte „Hallertauer“ geht an die „Boston Beer Company“.
Im Mittelalter war Bierbrauen Frauensache und die Geheimrezepte gab die Mutter an die Tochter weiter. Da landeten auch mal Tollkirschen oder Bilsenkraut in der Sudpfanne und der Ehemann überlebte den Rausch nicht.
Das Reinheitsgebot ist das erste Lebensmittelgesetz der Welt. Nur Hopfen, Wasser und Malz gehören ins Bier, verfügte der Bayerische Herzog Wilhelm IV 1516 in Ingolstadt. Vorher wurde alles Mögliche ins Bier gepanscht und zum Gären gebracht. Im Mittelalter war Bierbrauen Frauensache und die Geheimrezepte gab die Mutter an die Tochter weiter. Da landeten auch mal Tollkirschen oder Bilsenkraut in der Sudpfanne und der Ehemann überlebte den Rausch nicht. Fortan ging das Braurecht meist an Männerklöster. Die hielten sich ans herzogliche Reinheitsgebot und hatten großes Interesse an frischem Bier, denn Bier bricht Fasten nicht. Durch die alleinige Verwendung von Gerste sollte der Weizen als Brotgetreide geschützt werden. Der Hopfen wiederum sicherte die Reinheit, denn er wirkt keimtötend und antibakteriell.
Der Alphagehalt bestimmt den Preis auf dem Weltmarkt
500 Inhaltsstoffe hat der Hopfen. Für den Hopfenbauern ist das Lupulin oder Alpha der wichtigste Inhaltsstoff. Der Alphagehalt bestimmt den Preis auf dem Weltmarkt. Lupulin ist die bittere gelbe Flüssigkeit aus den Fruchtkegeln der weiblichen Hopfenpflanze. Werden die Fruchtkegel getrocknet und abgesiebt, bleibt Lupulin zurück. Dieses Pulver ist leicht gelbbraun, harzig und mit Hanf verwandt. Die beruhigende Wirkung des Bieres kommt zum großen Teil daher. Aber auch die anderen Inhaltsstoffe wirken positiv auf den menschlichen Organismus. Je nach Hopfungsart können bis zu 30 Prozent Polyphenole aus dem Hopfen im Bier vorkommen. Diese natürliche Antioxidantien kennt man vom Rotwein und dem grünem Tee. Früher wurden sie von Brauern eher als störend empfunden. Denn sie trüben das Bier und waren der Grund, warum Bier vor der Erfindung des Kühlschranks nicht lange haltbar war. Heute dagegen werben pfiffige Brauereien gerade mit ihrem naturtrüben, ungefilterten Bier.
Markus ist wieder vom Feld zurückgekehrt. Der polnische Erntehelfer steht breitbeinig in der Halle und hängt den Hopfen nacheinander auf eine Art Schlepplift. Eine Rebe nach der anderen fährt zur Pflückmaschine. Diese kämmt die Dolden aus den Reben. Abgerissene Blätter und Stängel werden in der Reinigung aussortiert, mit den Rebenresten zerkleinert und kompostiert. Schon während der Ernte wird dieser wertvolle organische Dünger nach einer 14-tägigen Gärung wieder auf die Felder gebracht, um den Böden zurückzugeben, was die Hopfenpflanze ihnen genommen hat. So wird ein natürlicher Nährstoffkreislauf gefördert.
Die gepflückten Dolden müssen zur Konservierung schnell von 80 Prozent auf 10 Prozent Wassergehalt getrocknet werden. Dazu wird der Hopfen nacheinander auf eine Art Schlepplift gehängt. Eine Rebe nach der anderen fährt zur Pflückmaschine. Diese kämmt die Dolden aus den Reben. Abgerissene Blätter und Stängel werden in der Reinigung aussortiert, mit den Rebenresten zerkleinert und kompostiert. Danach müssen die abgepflückten Hopfendolden zügig in Förderbändern in die Darre, die Trocknungsanlage. Bei einer Temperatur von 62 bis 65 Grad ist es heiß wie in der Sauna. Was folgt ist das Vernähen der luftdicht verschlossenen Quader und das Aufkleben des Siegels für die amtliche Zertifizierung auf die Quader. Mit dem Siegel können alle Brauer der Welt die Herkunft des Hopfens, die Sorte und den Jahrgang bis Niederumelsdorf zurückverfolgen.
Deutsches Hopfenmuseum, Elsenheimerstraße 2, 85283 Wolnzach.