Gänsehaut. Nicht nur wegen der Kälte in den feuchten Kellern, sondern wegen eines unwirklichen Anblicks: Champagnerflaschen in Gold, Silber und schimmerndem Rosé. Perfekt illuminiert, sodass ihr Glanz selbst die fahlen Kreidewände leuchten lässt. Wir sind im Allerheiligsten des Cattier-Kellers, im Reich von Armand de Brignac. Jeder Schritt von der Lese bis zur Abfüllung Handarbeit.
Autorin Sabine Ruhland, Fotos ©foodhunter
In Deutschland würde kaum jemand wegen eines Kellers gleich ein ganzes Anwesen kaufen. In der Champagne ist es gängige Praxis – sofern man überhaupt das Glück hat, ein Haus mit geeignetem Keller erwerben zu können. So geschehen im Örtchen Chigny-les-Roses, dem Village Fleuri, dem Blumendorf.
Das Champagnerhaus Cattier hat hier eine Immobilie gekauft, deren eigentlicher Wert unterirdisch ist: ein 200 Meter langer Kreidekeller, 30 Meter tief. Heimat für vier Millionen Flaschen. Die besten und teuersten: Armand de Brignac.
Die Trauben ausschließlich Grand Cru oder Premier Cru aus den besten Jahrgängen und den besten Weinanbauorten der Gebiete Montagne de Reims, Côte des Blancs und Vallée de la Marne. So hochwertig die Traube, so auch ihre Weiterverarbeitung, denn für Armand de Brignac kommt die traditionelle Coquart-Presse zum Einsatz.
Geringere Menge, dafür mehr Qualität, denn bei diesem Prozess wird ausschließlich der Anteil des ersten Saftes gewonnen. Dieser wird mit dem Most der Ernten zweier vorheriger Jahrgänge vermengt, die auf ebenso sorgfältige Weise gewonnen wurden. Danach lagern die Flaschen für mindestens drei Jahre in den Kellern. Jede Cuvée erhält zudem einen Liqueur de Dosage, der neun Monate in Eichenfässern reift. Das genaue Rezept: ein Familiengeheimnis.
„Das Bouquet verströmt den Geruch von gepressten Birnen, warmem Toast und weißen Blumen. Der Geschmack ist prickelnd, weich und mündet in einen lang anhaltenden seidigen Abgang mit ansprechendem Aroma von Zitronenschalen“, urteilte der spanische Weinautor José Penin über den Brut Gold. Kaum besser hätten wir es ausdrücken können. „Statt Toast wäre Brioche der trefflichere Ausdruck“, bemerkt jedoch Foodhunter Dirk Vangerow. So sei es.
2009 wurde die Prestige-Cuvée Armand de Brignac Brut Gold in einer Blindverkostung aus 1.000 Marken zum besten Champagner der Welt gekürt. Da darf es dann durchaus etwas mehr Glanz sein, auch bei den Flaschen, die einen metallisch schimmernden Überzug erhalten und in schwarzen Lackschatullen ruhen. Auf Wunsch wird die kleine Zinnplakette im Inneren der Schatulle individualisiert.
Kronjuwel: Clos du Moulin
Ein umfriedeter Weinberg von maximal einem Hektar Größe, das verbirgt sich hinter der Bezeichnung ‚Clos’. Mit Mauern, die rund 1,60 Meter hoch sind und die tagsüber gespeicherte Sonne in der Kühle der Nacht an den Weinberg abgeben. Trauben von seltener Geschmacksintensität sind der Dank, perfekt für einen Champagner höchster Eleganz. Statt mindestens drei Jahren Reife bleibt ein derartig erlesener Tropfen sechs bis 10 Jahre in den Kellern. Dennoch sind die Clos mühsam zu bewirtschaften, weshalb es nur noch wenige von ihnen gibt.
Das Haus Cattier besitzt unter seinen insgesamt 20 Hektar Weinanbaufläche noch derartige Parzellen. 2,2 Hektar, um genau zu sein. Daraus entsteht der Clos du Moulin, je zur Hälfte Pinot Noir und Chardonnay.
Der Clos du Moulin mag nicht den Bekanntheitsgrad eines Clos du Mesnil von Krug haben, doch in Punkto Qualität sind sich die meisten Kritiker einig, spielt der Clos du Moulin vorne mit. Er ist ein Verschnitt aus drei verschiedenen Jahrgängen und die Produktion ist auf 15.000-20.000 Flaschen limitiert. Wir verkosten den 2000/2002/2003 und sind restlos begeistert von einem vollendeten Champagner mit leichtem Kupferton und Aromen von feiner Butter und kleinen roten Früchten. Ein idealer Begleiter zu Ente und Entenbrust.
„Er ist einzig zum Genießen gemacht.“ Alles begann mit ihm, dem demi-sec
Die Ära des Champagners begann mit dem ‚demi-sec’, denn einzig zum Dessert wurde Champagner früher getrunken. Dann eroberte das prickelnde Getränk Paris und die Pariser verlangten nach weniger Süße.
In den 70er Jahren entstanden die Bruts. Mit weltweitem Erfolg. Dennoch hält Cattier an der Tradition fest und stellt ausschließlich für den Eigenbedarf Armand de Brignac demi-sec her. Gerade mal 600 Flaschen. Statt der sonst für einen demi-sec üblichen 40g/l Zucker kommt er mit rund 32-35 g/l aus, was ihn sehr leicht und fruchtig macht.
Mit einem erwartungsvollen Lächeln, das selbst für einen in der Champagne aufgewachsenen „alten Hasen“ wie Monsieur Bienvenu, seit 20 Jahren im Hause Cattier, ungewöhnlich ist, öffnet er eine Flasche. „Diesen Champagner gibt es nicht zu kaufen. Er ist einzig und allein zum Genießen gemacht.“ Welches Vergnügen er uns bereitet hat, bedarf nicht vieler Worte: Magnifique!
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