Vielleicht verziehen Männer deswegen so angestrengt das Gesicht, damit wir Frauen vom Tun abgeschreckt werden und diese Domäne dem starken Geschlecht überlassen: das Öffnen von Austern. Dabei erfordert es keine überirdische Kraftanstrengung, sondern Geschick.
Wir sagen Ihnen, wie Sie Austern richtig öffnen, welches Austernmesser das Beste ist, alles über die verschiedenen Austernarten und warum eine Himbeer-Vinaigrette besser zur Auster schmeckt als Zitrone.
Autorin Sabine Ruhland,
Fotos ©Foodhunter
Nun, da ist sie wieder – die Frage nach dem Gefühl. Rohe Kräfte lassen die Herren walten, es treibt den Schweiß auf die Stirn, ein Stöhnen dringt aus der Kehle, die Oberarme ballen sich zu Muskelpaketen. Austern öffnen, eine scheinbar urgewaltige Art der Nahrungsbeschaffung. Irgendwann wollte ich auch – und siehe da, zarte Frauenhände machen es “mit Gefühl”.
„Die knack ich spielend!” – So geht es.
Ein zerknülltes Geschirrtuch in die Hand nehmen, in das – wie in ein weiches Bett – die Auster gelegt wird.
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Die bauchige Seite nach unten und den spitzer zulaufenden Teil nach innen. (Bei der Auster ist der runde Teil „vorne“).
An der Seite der Auster die Naht suchen, die sich oft zwischen der zerklüfteten Oberfläche versteckt. Ist sie gefunden, das Austernmesser am vorderen Drittel ansetzen.
Nicht reinhacken und zustechen, sondern die Messerspitze gefühlvoll mit leicht drehenden und schraubenden Bewegungen hin und her immer tiefer durch die Schale treiben (der Muskel der Auster liegt in der Mitte des vorderen Teiles.)
Ist der Widerstand durchbrochen, das Messer mit leicht schwingenden Bewegungen entlang der ganzen Seite nach unten schieben und den Deckel der Auster aufklappen.
Den Deckel abnehmen und die Auster nach kleinen Splittern von der Schale absuchen. Diese entfernen.
Ob die Auster gut ist, sagt die Nase. Nach Meeresbrise sollte es duften.
Ob die Auster noch lebt – auch das ist ein wichtiges Qualitätskriterium – erkennen Sie, wenn Sie mit der Messerspitze am Rand der Auster entlangfahren. Zuckt sie zurück, ist alles okay.
Himmel nochmal! Nein, Austern sind nicht glibberig-schleimig.
Das Wichtigste von allem: Austern sind nicht glibberig oder glitschig, sondern besitzen ein zartes Fleisch.
Deshalb nicht im Stück schlucken, da könnte sie im wahrsten Sinne im Halse steckenbleiben, sondern kauen, an den Strandurlaub denken und genießen.
Ihre erste Auster sollte nicht schwanger sein – daran zu erkennen, wenn sie eine hellbraune Erhebung besitzt. Ist zwar essbar, aber schmeckt etwas breiig. Wählen Sie eine Auster deren Fleisch eher flach an der Schale anliegt. Sie sollte auch nicht zu groß sein. Eine Fines de Claire ist zum Einstieg perfekt.
Pfeffer, Zitronen, Himbeer-Vinaigrette – die Auster mag einen kräftigen Partner
Ist die Auster geöffnet, von allen Splittern befreit, mit dem Messer locker in der Schale drapiert gibt es verschiedene Möglichkeiten, ihren Geschmack weiter zu perfektionieren: mit schwarzem Pfeffer aus der Mühle, ein einigen Spritzern Zitrone oder dem Klassiker Himbeer-Vinaigrette. Hier das Rezept:
Schalotten in winzige Würfelchen schneiden. Himbeeressig dazugeben und einen Spritzer geschmacksneutrales Öl (Sonnenblumen- oder Rapsöl). Alles gut verrühren. Fertig. Einen kleinen Löffel der Vinaigrette über die Auster geben. Schmeckt genial!
AUSTERN-ABC
Die bei uns am häufigsten gegessenen Austern sind die Fines de Claire (ausgesprochen „finn de klär“). Sie schmecken gut, haben eine angenehme Größe.
FOODHUNTER-TIPP: Speciales Ancelin, Austern bester Qualität in vier Größen (in der Fachsprache Kaliber). Charakteristisch für diese Austern ist die tiefere Form, die mehr Volumen und festeres Fleisch schenkt. Wir bevorzugen Kaliber 3 und 4.
Die wohlschmeckenden und teuren Belons haben ein sehr feines nussiges Aroma und werden im gleichnamigen französischen Fluss veredelt.
Gillardeau Austern heißen so, weil sie nach ihrem Züchter benannt wurden. Die Austern sind besonders fleischig und rein im Geschmack.
Tsarskaya Austern sind extra groß und vollfleischig. Einst für das Zarenhaus gezüchtet, heute eine Delikatesse für Austernkenner.
Sylter Royal Austern. Wir lieben sie! Vor allem direkt vor Ort im Bistro Austermeyer, das Austern in allen Zubereitungsvarianten anbietet. Die Austern werden aber auch frisch in alle Welt verschickt.
Das richtige Austernmesser
Die große Vielfalt an Austernmessern entwickelte sich nach den Regionen, in denen Austern schon seit jeher als Delikatesse auf den Tisch kamen. Hier wird hauptsächlich danach gewählt, welcher Art eine Muschel angehört und wie groß sie ist bzw. welche Technik sich am besten dazu eignet, diese Muschel zu öffnen. Erfahrungsgemäß zählen also Köche, zu deren Aufgaben das tägliche Öffnen von Austern gehört, mehrere Varianten eines Austernmessers zu ihrem Sortiment.
Das am häufigsten verwendete Messer ist das „kurze, französische Messer“, welches eine spitz zulaufende Klinge aus Edelstahl sowie eine relativ große Manschette zum Schutz der Hände vor den scharfen Kanten der Austernschale besitzt und über einen Holzgriff verfügt. Zum Einsatz kommt dieses Messer dabei bevorzugt bei kleinen bis mittelgroßen Austern von ca. 8 cm Länge.
Die elegantere Variante des französischen Austernmessers besitzt keine Edelstahlmanschette, sondern ist schmal und spitz, hat eine leicht geschärfte Klingenseite und eine stumpfe und meist einen Griff aus Kirschholz. Es gibt auch günstigere Varianten mit Kunststoffgriffen.
Die amerikanische Variante des Austernmessers ist der Boston-Stabber, der sich durch seine lange, schmale und stumpfe Edelstahl-Klinge auszeichnet, die mit einem Kunststoffgriff versehen ist und bevorzugt für das Öffnen großer Muscheln genutzt wird. Für einen normalen Haushalt nicht erforderlich, denn damit knacken Sie alles außer kleine Austern (bis 6-8 cm).
Auch das noch robustere amerikanische Galveston-Messer, das ebenfalls zum Öffnen von mittleren bis großen Austern verwendet werden kann und eine lange, breite sowie beidseitig geschliffene Klinge besitzt, ist für den Hausgebrauch eher ungeeignet, es ist ein wahrer ‘Austernkiller’.
Für kleinere und mittlere Austern dagegen eignet sich das ebenfalls robuste, aber gewölbte und beidseitig stumpfe New-Haven-Messer, dessen recht kurze Klinge schnelle und wendige Handgriffe beim Öffnen erlaubt und als ‘Scharnierbrecher’ eingesetzt werden kann.