Ein Donnerstagmorgen im Juni: Die Sonne geht auf und ich die Treppe zur U-Bahn hinunter. Leicht den Schlaf noch in den Augen. Die Truppe, die ich heute besuche, ist vermutlich schon wieder müde, sie ist bereits halbwegs im Arbeitstag. Im e5 Bakehouse im Stadtteil Hackney wartet man auf mich, ein biologisches Back- und Kaffeehaus unterhalb der Zuggleise. Punkt 7 Uhr fährt der Rollladen hoch und auch ich bin richtig wach.
Autor Carola Kühnl, Fotos Carola Kühnl
Die Sonnenstrahlen werfen ein glasklares Licht nach drinnen und betonen den massiven Tunnelbau. Im Gebäudekern glänzt bereits der kleine Servicebereich. Wasser und Blumen stehen auf dem Tisch, der Duft von frischem Brot liegt in der Luft. Ich bin neugierig.
e5 Bakehouse wurde im Jahr 2011 von Ben MacKinnon gegründet und steht für handgemachtes Sauerteigbrot, Ciabatta, Focaccia, Baguette, Kuchen, Gebäck, Mittagstisch, selbsteingekochte Marmeladen und Aufstriche.
Den Kraftstoff für das schmackhafte Backwerk liefern Mühlen aus der Region.
Alle Zutaten sind streng biologisch. Das Getreide, das im e5 Bakehouse vermahlen wird, ist oft die Ernte alter Sorten, ungekreuzt und daher geschmacksintensiv. Ein gutes Brot erfordert Respekt vor der Natur, den Zulieferern, ein reines Gewissen, Geschick und Heiterkeit. Ein bekömmliches Brot zu backen, ist eine wahre Kunst. Dazu bedarf es Freiraum, den der Chef auch gewährt.
Das Baguette von e5 Bakehouse ist ein handgemachtes, knuspriges Weißbrot. Die Porung der Krume ist grob und ungleichmäßig. Der Anteil an Kruste im Verhältnis zur Krume ist hoch, daher schmeckt es besonders kräftig und aromatisch. Hergestellt wir es aus einer langen Weizen- Sauerteigführung. Der Teig wird schonend geknetet und aufgearbeitet, die abgeteilten Teigstücke werden nur noch gerollt.
Das Mehl der Brote ist stone-ground, was heißt: Das Korn wird schonend vermahlen in einer massiven Steinmühle. Sie wurde aus Pinineholz gefertigt und stammt aus einem österreichischen Betrieb mit langer Tradition im Mühlenbau. Mitte der 70er-Jahre hat man in England begonnen, mit Sauerteig zu arbeiten.
Dass im Teig Bakterien leben, die obendrein noch gesund sind, musste der Brite erstmal verstehen lernen. UK hat streng genommen keine traditionsreiche Speise, mit der man grenzüberschreitend das Land identifiziert. Bier, ist Deutsch. Italien isst Pizza und der Franzose schwört auf Camembert. Die Herstellung von Sauerteig aber gibt dem Land mehr Tiefe und Charakter im Handwerk. Es bedarf aber noch an Geschichte, damit eine ordentliche Bäckerzunft daraus wird.
Olala… Die Croissants, eine Sünde wert. Wenn es denn eine wäre. Die darin enthaltene, ehrlich Butter setzt sich nicht auf den Hüften fest, nur im Kopf fest: Nimm‘ mich!
Nicht wirklich zentral gelegen, zieht der Duft sie alle an: Reisende, Beamte, Familien, Studenten. Kaum hat der Laden offen, ist die Vitrine zu. Sehr sympathisch auch die kleine SB-Theke. Wasser, diverse Aufstriche und hausgemachte Marmeladen für Jedermann. Wer zweimal am Löffel schleckt, ist dennoch willkommen.
Zu mittags wird serviert, was die Natur parat und der lokale Gemüsehändler im Angebot hat wie Kohlroulade mit Linsen oder Würstchen-Auflauf. Das Menü wechselt auch mit der Gesinnung der Köche. Die XXL Brote, belegt mit Käse, Apfel und Salat für take-away sind täglich gleich dick belegt. Wechselnd ist nur der Geschmack der regionalen Käse von Neal’s Yard Dairy. e5 Bakehouse ist täglich geöffnet von 7am bis 7 pm.
Für die Kunden strampelt sich die Backstube richtig ab. Geschäfte, Lokale und Hotels werden mit dem Backwerk umweltschonend bestückt, auf niederländische Art im Bakfiets. Und im Hinterhof hat man den Salat! Auch Kräuter und Gemüse für Lunchpaket und Suppenschüssel.
Ben MacKinnon ist der Kopf von e5 Bakehouse.
.Bitte, sagen Sie jetzt mal was!
Ich habe in 100 verschiedenen Betten in einem Jahr geschlafen. Damit musste Schluss sein! Reisen bildet, aber: Ich wollte einen Nachbarn, der tägIich das gleiche Gesicht hat. Ich war Gärtner, Fischer, Verkäufer… habe 10 verschiedene Hobbies und vermutlich gibt es auch nur 10 Flecken auf der Erde, über die meine Füßen noch nicht gelaufen sind. Ich musste mich erden und habe ein Brot gebacken. Damit fing alles an. Ich belegte Kurse, machte weiter, wurde größer, bekannter und beliebter. Eine klassische Ausbildung zum Bäcker gibt es hier in England nicht. Der Wille zählt und Talent muss man haben. Ich suche nach wie vor die Nähe zum Meer, die Bewegung, die Veränderung… Ob ich in zehn Jahren noch Bäcker bin, weiß ich noch nicht. Jetzt werden wir erstmal Kurse im Brotbacken und in der Patisserie forcieren, den Hinterhof ausräumen für einen Outdoor-Mittagsservice und dann schauen wir weiter. Physisch reisen war früher, heute reiße ich eher mental mal aus.
Ein Idol?
Nein, aber vor Jiro Ono, den japanischen Sushi-Meister mit 3 Michelin-Sternen, habe ich Respekt. Er arbeitet seit Jahrzehnten im Untergrund von Tokio auf höchstem Niveau. Er wird täglich professioneller, indem er täglich den gleichen Handgriff macht, immer einen Tick optimaler. Faszinierend, doch bei mir ist der Weg das Ziel, nicht umgekehrt. Ich hegte nie den Wunsch, eines der besten Sauerteig-Brote der Stadt zu backen. Irgendwie aber kommt doch ganz anständiges Brot aus unserem Haus. Brot backen, mit Händen einen Teig kneten, gibt einem das gute Gefühl, sich selbst ernähren zu können.
Manchmal sauer?
Menschen wissen oft nichts anzufangen mit ihrem Leben, wollen keine Verantwortung übernehmen, gammeln samt der ganzen Familie vor sich hin. Schuld sei natürlich die Regierung. Die sollten anfangen, ein Brot zu backen oder einen Baum zu pflanzen, ein nutzvolles Werk für die Allgemeinheit. Vor Frust Chips auf der Couch essen ist feige. Dafür habe ich kein Verständnis.
Immer süß?
Die Morgenstunde bei Filterkaffee, Baguette, hausgemachter Marmelade und leicht gesalzener Butter. So früh wie früher stehe ich nicht mehr auf, mein Team ist top. Dafür gönne ich meinen Jungs auch einmal einen längeren Flirt mit einer Mitarbeiterin. Zu zweit lassen sich Brownies auf einem Blech eben besser verteilen als alleine.
https://www.foodhunter.de/ueber-carola-foodhunterin-aus-london/