Piemont für Entdecker

Das Monferrato

Auf dem Weg nach Asti, Alba oder Barbaresco, den Hochburgen von Wein und Trüffel, wird eine Ausfahrt oft übersehen: Casale Monferrato, mit 39.000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt in der Provinz Alessandria.

Autorin Sabine Ruhland, Fotos ©foodhunter

 

Rund eine halbe Stunde Fahrtzeit von den bekannten Zielen entfernt, bietet die Gegend um das Städtchen, das schon Napoleon als „citta di riguardo“ bezeichnete, alle Reize des Piemonts: weiche Hügel, bunt betupft mit Dörfern, Weinbergen, Weizen- und Sonnenblumenfeldern, sonnendurchfluteten Hainen zwischen denen lilafarbene Sträucher wie schimmernde Amethysten hervorblitzen. Verschlungene Straßen, wenig befahren, präsentieren nach jeder Kurve ein neues Bild, das Maler zu allen Zeiten inspirierte.

Die Einheimischen dieser Region sind zurückhaltend und mit Fremdsprachen nicht sonderlich vertraut. Da tut es gut, einige Worte Italienisch zu sprechen, um nette Bekanntschaften zu machen oder die Speisekarte zu lesen.

Weil viele der winzigen Dörfer die obligatorische Bar oder Trattoria vermissen lassen, bieten Montcalvo und Casale Montferrato die begehrten Anreize. Moncalvo mit seinen knapp 3.200 Einwohnern rühmt sich selbst, die kleinste Stadt Italiens zu sein und präsentiert den pittoresken Charme verschachtelter, mittelalterlicher Häuser.

Dagegen wirkt Casale Monferrato fast großstädtisch, mit seinem adretten Marktplatz, auf dem an Samstagen Landwirte ihre Produkte feilbieten, mit den schicken Boutiquen und Feinkostgeschäften und der Via della Fracia, einer der ältesten Fußgängerpassagen Italiens.

Monferrato, Trauben Piemont, foodhunter

 

Die Piemonteser lieben reine, einfache Gerichte aus regionalen Zutaten, so dass sich die Küche trotz der geografischen Nähe zu Frankreich und der Haute Cusine ihren authentischen Geschmack bewahren konnte.

Charakteristisch für die Region ist allerdings auch der unbeschwerte Einsatz von Butter und Speck, was dem ungeübten Magen durchaus zu schaffen macht.

Vegetarier werden sich ebenfalls schwer tun, denn kaum ein Menü ohne Fleisch, bevorzugt Sanato, Fleisch von wenige Monaten alten Kälbern, die ausschließlich mit Milch ernährt wurden. Wer typische Spezialitäten kosten möchte, dem seien Carne cruda, Vitello tonnato, Agnolotti (gefüllte Teigtäschchen) empfohlen sowie natürlich das Regionalgericht Bollito misto, ein üppiger Fleischtopf.

 

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Foto Agnolotti, 123rf ©shopartgallerycom

Typisch ist die Bagna cauda, eine warme Soße aus Olivenöl, Sardellen und Knoblauch, in die Gemüse der Saison getunkt wird. Wunderbar an kühlen Tagen. Was alle Produkte auszeichnet: sie sind unverfälscht und werden heute noch nach traditionellen Methoden hergestellt und behandelt. – Dazu zählen neben Brot, Fleisch, Gemüse, Nudeln die zahlreichen Käsesorten, allen voran der Castelmagno oder der Robiola di Roccaverano.

Auf ca. 60.000 Hektar Fläche produziert das Piemont über vier Millionen Hektoliter Wein.

Den kräftigen Barolo, den gehaltvollen Barbera del Monferrato, den samtigen Barberesco oder den fruchtig-herben Barbera d’Asti. – Essen und Trinken als Lebensphilosophie, weshalb das Piemont seiner Leidenschaft zahlreiche Feste widmet:

Giornate della Barbera’, Tage des Barbera im April in Agliano, ‚Festa del Pane, Brotfest im Mai in Montemagno oder ‚Festa del Grinolino’, Grignolinofest (Grignolino ist eine Traube, die nur im Piemont vorkommt) in Portacomaro, ‚Festa delle Cuicine Monferrine’, Fest der Monferrato-Küche im Juni in Montcalvo oder auch ‚Giornata dell’Olio Piemontese’, der Öltag im Dezember.

Wir haben uns auf den Weg gemacht ins Monferrato, das noch als Geheimtipp gilt. Unsere Recherchereise fand im Sommer statt, doch die schönste Jahreszeit um die Region kennenzulernen, ist der Herbst, die Zeit der Weinernte, in der sich das Monferrato in einer mystischen Stimmung präsentiert. „Nebelschwaden und Dunst legen sich wie Watte über die Weinberge”, schwärmen die Dichter. Sie haben Recht, wird uns von allen Seiten versichert.

Als Monferrato wird die weitläufige Hügellandschaft zwischen Asti und Alessandria bezeichnet, der sich zwischen dem Fluss Po im Norden, dem Fluss Scrivia im Osten, dem Gebiet der Langhe im Westen sowie dem ligurischen Apennin im Süden einordnen lässt. Die Gegend wird  von den Flüssen Tanaro und Bormida sowie zahlreichen kleineren Nebenflüssen durchflossen. Viele Dörfer und Städtchen, Felder und Weinberge Weinberge zieren diese  Landschaft, die wegen ihres Liebreizes in der Literatur oft mit der Landschaft der Toskana verglichen worden ist.

Buonanotte

Hotels im Monferrato

Authentische Küche

Ristorante La Braja

Monferrato Restaurant La Braja, foodhunter

Ristorante La Braja

Viele Journalisten sind noch nicht vorbeigekommen in Montemagno, weshalb sich nur allzu bereitwillig die ganze Mannschaft des Restaurants vor unserer Kamera postiert.  Das Ristorante La Braja, eines der feinen in der Region, ist seit Jahrzehnten ein Familienbetrieb der Palerminos.

Was die Küche zu bieten hat, ist hausgemacht und nicht immer das klassische Gericht, das der deutsche Gast erwartet. So kommt das Carpaccio als Tatar von exzellenter Qualität daher, garniert mit frisch aufgeschlagener Zitronen-Sardellen-Mayonnaise. Das Vitello Tonnato schenkt dem Gaumen einen ungewohnten Hauch Früchteessig und die mit Kartoffeln gefüllten Maultaschen sind gekrönt von Pilzen, die der Hausherr vor der Zubereitung stolz als tagesfrische Rohware zeigte.

Der Risotto ist sämig, einfach-raffiniert mit Erbsen, roten Zwiebeln, Zucchini und einer süßen Peperoni-Jus. Das Kalbsfilet lässt keinen Zweifel an seiner Frische und wird dank Barolo-Soße zum Höhepunkt des Menüs, das ein ungeübter Esser kaum schaffen kann. Trotzdem überzeugen noch die Zabaione mit Torroncinocrunch und der Käsewagen – bestückt mit allem, was Piemonts Käsemacher zu bieten haben. Ein Abend, der Genießer glücklich und erschöpft in die Betten fallen lässt.

La Braka, Via San Giovanni Bosco 11, 14030 Montemagno. T+39(0)141.653925. http://www.labraja.it

Der Tuber Melanosprum wird unter den schwarzen Trüffeln am meisten geschätzt. Diese Trüffelsorte wächst bevorzugt unter Eichen, Hainbuchen und Nussbäumen, Erntezeit Mitte November bis Ende März.

Tenuto La Tenaglia

Reben unter heiligem Berg

Als die Familie Ehrmann 2001 das geschichtsträchtige Weingut unterhalb des heiligen Bergs mit der berühmten Santuario di Crea kaufte, hatte es längst seine besten Zeiten hinter sich. Die Basis allerdings zeigte sich vielversprechend: 30 Hektar Rebland mit Chardonnay, Shiraz und 80 Prozent Barbera, teils mit 60 Jahre alten Rebstöcken. Also folgte die Tochter der Joghurt-Dynastie erst einem Impuls, dann einer Leidenschaft. Sabine Ehrmann wurde Winzerin, holte sich Weinfachleute  und Önologen zur Seite, kämpfte mit den Widrigkeiten des piemonteser Konkurrenzdrucks und entwickelte Ehrgeiz.

„Viele Winzer im Piemont versuchen, international gefällige Weine zu machen, um damit auf dem Markt besser zu bestehen. Ich bin der Meinung, dass ein Wein die Individualität der Region widerspiegeln muss und trotzdem finessenreich sein kann.“

Diesen Gedanken verfolgte sie unbeirrt weiter. „Wir suchten einen Weg, den Wein sanfter und eleganter zu machen und dabei das Territorium zu beachten.“ So verlieh das Weingut dem urigen Bauernwein, welcher der Barbera im Grunde ist, Eleganz und Noblesse. „Er gärt bei uns im Stahltank, weil er nur dort zeigen kann was wirklich in ihm steckt, erlebt dann in neuen 225 Liter Eichenfässern seine Veredelung, ungefähr ein Jahr, und bleibt schließlich bis zum Verkauf noch sieben Monate in der Flasche.“ Der Barbera d’Asti DOC Emozioni ist von tiefem Rubinrot, mit intensiven Noten von reifen, roten Früchten und Vanille sowie Pflaume im Abgang.

Zahlreiche Auszeichnungen seitens der Fachwelt waren der Lohn und spornten an für einen Weißwein von ungeheurer Präsenz, den Chardonnay DOC Oltre (übersetzt ‚über allem’), mit einer Farbe von schimmerndem Dukatengold, niedriger Säure und gutem Körper. Nuss, Vanille, Honig, Akazie und Minze verbinden sich am Gaumen, im Abgang ein Hauch von Lakritz. „Dieser Wein sieht keinen Stahl. Er kommt in nagelneue Eichenfässer, lagert dann ein Jahr im Holz von Troncais und Allier und danach für ca. acht Monate in der Flasche.“ Insgesamt 120.000 Flaschen produziert das Weingut heute jährlich, vom Oltre allerdings nur 3.000 Flaschen.

Was tun mit der Shiraz-Traube?

Einst im Piemont als internationale Traube eingeführt, verschwanden die Reben kurz darauf wieder, weil es keine offizielle DOC-Qualitätsbezeichnung dafür gab. Sabine Ehrmann sah das anders.„Shiraz war nun einmal im Weinberg vorhanden und für uns stellte sich daher nur die Frage, wie wir die Traube ausreifen könnten.“

Das Ergebnis erfreut heute die Gaumen zahlreicher Weinkenner, denn der „Monferrato Rosso DOC Olivieri“, im Barrique ausgebaut, weil die Eichenfässer maßgeblich dazu beitragen die Aromen abzurunden, beinhaltet Noten von schwarzem Pfeffer, Himbeere und roter Beerenkonfitüre. Ein ungewöhnlicher Wein verlangt nach einer ungewöhnlichen Aufmachung, weshalb die Etiketten erotische Motive aus der Ausstellung „Venus & Wein“ tragen, gestaltet vom neapolitanischen Künstler Giuseppe Olivieri. Zwei unbekleidete Frauen spielen die Hauptrolle, da war in den USA kein Wein zu verkaufen. Sabine Ehrmann amüsierte sich, geändert hat sie das Etikett nicht.

Tenuta “La Tenaglia”, Strada Santuario di Crea, 5, 15020 Serralunga di Creawww.latenaglia.de
Monferrato, Tenuto La Tenaglia, foto foodhunter.de

Buon appetito!

Restaurantempfehlungen

Schatzsuche

Die weißen Trüffeln von Alba

In Italien sind das Piemont und insbesondere die Hügel des Astigiano, Monferrato und Langa schon immer bekannt für das Vorhandensein des  Tuber Magnatum, auch “weiße Trüffel von Alba” genannt. Vor allem das Gebiet des Monferrato Astigiano und Casalese ist heute für die hohe Qualität des Trüffels berühmt. Den “Tuber” findet man in den Tälern oder in den Hügeln, wo es nicht zu trocken sein darf.

Für einen Feinschmecker ist der intensive Duft einer Trüffel etwas Herrliches und geradezu Göttliches: In der Botanik sind die Unterschiede zwischen weißen und schwarzenTrüffeln gering, aber in der Gastronomie werden die zwei Sorten streng unterschieden: die schwarze Trüffel darf in großen Mengen verzehrt werden, während die weiße aromatisierend ist und den Gerichten einen feinen Geschmack verleiht.

Schwarze Trüffeln werden gekocht verzehrt, weiße fast ausschließlich roh und wird mit einem speziellen Trüffelhobel direkt auf das Gericht gehobelt. Aufbewahrt werden die edlen Knollen in einem hermetisch verschließbaren Behälter, damit der Duft nicht verloren geht.

Im Piemont kombiniert man edle Trüffeln traditionell mit: rohem Fleisch, Fondue, Tagliolini mit Butter, Gnocchi oder Spiegelei. Trüffel von geringerer Qualität eigenen sich als Verzierung oder für die Zubereitung von Soßen. Dafür werden sie klein geschnitten und zusammen mit Öl, Knoblauch, Sardellen und Thymian in eine Pfanne und dann auf die Speisen gegeben.

 

Trueffelsuche,Piemont, Fotos Foodhunter.de

Das Jaulen kommt aus dem Kofferraum. Calma weiß, dass es gleich losgeht. “Sie hat eigentlich nur Hunger”, sagt Herrchen Matteo. In der Tat hatte Calma wenig zu Fressen in den letzten Tagen, denn nur ein hungriger Hund sucht mit Feuereifer. Kaum raus aus dem dunklen Gefängnis flitzt Calma davon. Wir sind einem Wald irgendwo im Piemont, schlielich gedeiht der Tuber Magnatum nur in Symbiose mit Pappeln, Weiden, Eichen und Linden. Matteo, sein Freund Andrea und wir gehen Calma hinterher. Die Hundedame schnüffelt, was die kleine Nase hergibt. – Und  schlägt an. Sorgsam gräbt Matteo an der Stelle und ergattert die erste schöne Trüffel des Tages.

Die Trüffelsuche ist keine Hetzjagd, ist besitzt  fast schon etwas Meditatives. “Jeder Trüffelsucher respektiert die Natur und das Eigentum von Dritten. Nachdem wir eine Trüffel ausgegraben haben, decken wir das Loch wieder sorgfältig zu.” Für einen erfahrenen Trüffelsucher ist dies selbstverständlich, auch weil er normalerweise keine Spuren hinterlassen will.

Trueffelsuche, Foto Foodhunter

Welch ein Fest!

Trüffel von November bis Dezember

Trueffel, Foto Foodhunter 3

1950 war es Giacomo Morra, Hotel- und Restaurantbesitzer von Alba, der die Trüffeln von Alba  internationaler Ebene erfolgreich machte. .Er nannte die Trüffel “Tartufo d’Alba” und widmete ihr eine touristische und enogastronomische Veranstaltung. Im Jahr 1949 hatte man die brillante Idee, das schönste Exemplar dieses Jahres der sehr bekannten Schauspielerin Rita Haywort zu schenken. Dieses Ereignis führte dazu, dass jedes Jahr berühmte Persönlichkeiten aus der Welt der Kunst und der Politik zu der namhaften Messe des weißen Trüffels “Fiera del Tartufo Bianco d’Alba” nach Alba kamen und die Stadt Alba und diese Veranstaltung international bekannt machten. Heute gibt es zahlreiche Messen und Feste, an denen alle nur eines wollen: Trüffel satt.

Montiglio Monferrrato: Erste Tage im Oktober.
Alba: Erste zwei Wochenenden im Oktober.
Moncalvo: Letzte zwei Sonntage im Oktober.
Montechiaro: Erster Sonntag im November.
Murisengo: Zweiter und Dritter Sonntag im November.
Asti: Dritter Sonntag im November.

Trueffel, Foto foodhunter