von foodhunter
Kategorie: Regional & Delikat

EssenZ ist gefragt. Im Verhalten. Im Einkauf. Im kulinarischen Geiste.

EssenZ ist gefragt. Im Verhalten. Im Einkauf. Im kulinarischen Geiste.

Es scheint grotesk, je mehr wir über Klimaschutz, Luftverschmutzung und Nachhaltigkeit sprechen, desto mehr kaufen, verbrauchen und konsumieren wir.

 

Autorin Sabine Ruhland
Editorial aus dem foodhunter-Magazin Iconic Food 2019

 

Die Feinstaubdiskussion verhindert nicht den konstanten Anstieg der SUV-Verkäufe, die Flugscham lässt u. a. am Münchner Flughafen die Zahlen der Passagiere rasant steigen und der Suche nach Energieeinsparung stehen Flatrates gegenüber. – Dabei wären Video-Streaming und Chatten weit weniger inflatorisch, würden konkrete Verbrauchsabrechnungen die Einheitspreise ersetzen.

Unser Kauf- und Konsumverhalten hat weitreichendere Auswirkungen, als wir denken und ist in einem derart komplexen System aus Subventionen, Politik und Konzernmacht verwoben, dass wir selbst bei klaren Gedanken ohnmächtig scheinen. Auch und vor allem beim Thema Lebensmittel.

 

 

Täglich mehr Produkte, die meterlange Supermarktwände in eine moderne Plastik-Pop-Art-Ausstellung verwandeln.

 

Ein Überangebot ohnehin gleichschmeckender Waren – oder können Sie ernsthaft bei geschlossenen Augen einen Tilsiter aus der Packung von einem Edamer oder einen Gouda unterscheiden? Wie viel Koffein-Kick brauchen wir noch aus dem Kühlregal -– meist nur eine ungesunde Zuckerbombe. Zudem finden sich Wurst, Fleisch oder Käse in Verpackungen, die aus mehreren Kunststoffarten bestehen, Schutzschichten, damit der Inhalt sich nicht verfärbt oder länger haltbar ist.

Recycelt werden kann nur sortenreines Plastik, der Rest wandert in die Verbrennungsanlage. Der „Rest” ist in diesem Fall der Großteil. – Unser gutes Gewissen bei der Plastik-Mülltrennung ist daher nur ein Weg, uns bei Laune zu halten.

Wer über kulinarisches Wissen verfügt, entscheidet bewusster, kann der industrialisierten Ernährung entgegenwirken. Erst kürzlich haben wir gelesen und uns damit vor Augen geführt, dass es die großen Fleischfabrikanten sind, die von der vegetarisch-veganen Welle profitieren und dank ihrer Werbebudgets und Marktmacht engagierte Kleinunternehmen aus dem Rennen kicken, denn in den Märkten wird der gelistet, der bereits die meiste Regalfläche gemietet hat.

 

So meldet ARIWA, Animal Rights Watch:

Die vegane Fleischkonzernwurst bedeutet auch nicht, dass in absehbarer Zeit weniger Tiere ausgebeutet und getötet werden. Sie dient lediglich dazu, ein neues lukratives Marktsegment zu erschließen und neben tierlichen nun auch vegane Produkte zu verkaufen.

Dass etwa Wiesenhof sehr langfristig nicht aus der Tierproduktion aussteigen wird, zeigen großangelegte Investitionen in die Modernisierung und den Neubau von „Produktionsanlagen“.

Geplant und teilweise umgesetzt ist zum Beispiel die Erweiterung der eigenen Schlachthöfe in Möckern (Sachsen-Anhalt), Königs-Wusterhausen (Brandenburg) und Lohne (Niedersachsen).

Sollte dies Wirklichkeit werden, würden allein in diesen Schlachthöfen statt bisher 500.000 Hühner künftig über 900.000 Hühner pro Tag geschlachtet – und damit auch fast doppelt so viele neue Hühnermastanlagen im jeweiligen Einzugsgebiet entstehen.

 

Nur einem aufgeklärten Verbraucher ist klar, das Firmen wie Wiesenhof oder Rügenwalder Mühle auch durch Vegetarier-Logos nichts in ihrer Philosophie ändern, im Hintergrund läuft die Massentierhaltung ungehindert weiter und mit jedem Tofu-Würstchen aus den Laboren eines Industriekonzerns kurbeln wir die Maschinerie weiter an.

 

Dazu dieser Insta-Hype um Food. Who the fuck needs „Cloud Bread”, „Espresso-O”, „Barbie-Pasta” oder „Croissant à la Lafayette”? Nur Idioten spurten los, stellen sich in die Schlange, um den „Erfinder” reich zu machen. Geschmacklich oft eine Luftnummer.

 

 

„Never throw things careless away. There is no away!“

 

Der Satz sagt alles, stammt aus dem Büchlein „Change the world” aus dem Jahr 2004, das wir vor 20 Jahren auf einem Flohmarkt in London erstanden haben. Vermeidung statt Verbrauch. Das gilt vor allem für „Trend-Produkte” wie Plastikflaschen aus Asien, denen ein Duftring aufgesetzt wird, um uns Leitungswasser schmackhaft zu machen oder den 3-in-1 Sparschäler mit austauschbaren Köpfen eines Nachhaltigkeit predigenden Kochs. Die eigentlich sinnvolle Idee entpuppt sich als Plastikpotpourri made in China.

Für beides gäbe es Alternativen: beispielsweise die gute alte Sigg Bottle oder die Spar-Schäler aus Edelstahl von Rösle. Beide Teile sind bei uns seit über 35 Jahren in Gebrauch.

Oder unser Redaktions-Auto: Ein BMW mit 315.000 km. – Gekauft Anfang der 2000er, zu einer Zeit, als BMW noch eine lebenslange Mobilitäts-Garantie an den Neukauf gehängt hat (nutzen wir bis heute). Klar, kein Navi, aber wir sind  trotzdem immer gut  angekommen. „Autos in dieser Qualität werden heute kaum mehr gebaut”, lobt uns alle zwei Jahre der TÜV für unsere ungebrochene Liebe zu dem Fahrzeug.

Die Trend-Produkte unserer Zeit – von Mode bis Technik – dürften von derartigen Haltbarkeitszyklen nur träumen.

 

Einmal Qualität gekauft, spart Geld. Das sagten schon unsere Mütter und Großmütter. Und wir sagen’s gerne weiter, all jenen, die jedem Insta-Food-Hype und anderen schwachsinnigen Gadgets hinterherlaufen.

 

EssenZ ist also gefragt. Im Verhalten. Im Einkauf. Im Genuss. Im kulinarischen Geiste. 

 

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