Der Natur ihren Spielraum lassen ist die Philosophie von Kai Schätzel, die er mit vielen seiner jungen Kollegen teilt. “Zuviel Technisierung herrschte im Weinberg. Wissen ist verschwunden. Wir wollen wieder zurück.” Auf extreme Experimente verzichtet Kai Schätzel ebenfalls. “Wir lieben Säure, wollen aber keine opulenten, fetten Spinnerweine.”
Autor Dirk Vangerow, Fotos ©foodhunter
Niedrige Weinberge, auf 1.40m zurückgeschnitten, voll begrünt. “Viel Arbeit”, lacht der sympathische Winzer, “denn wir sortieren regelmäßig von Hand viele Blätter aus. Die Trauben sollen morgens Sonne und mittags Schatten haben. Wir sind also im stetigen Dialog mit der Rebe.”
100 Tage nach der Blüte fängt Schätzel mit der Lese an. Die kann sich hinziehen, denn nur goldene Beeren wandern in die Bottiche. “Ich will stabile Weine, dafür brauche ich Beeren mit gesunder Haut, die biologisch reif sind.”
Achtsam werden die Trauben gelesen, in kleinen Boxen ins Weingut gebracht, leicht gequetscht und 24 Stunden auf der Maische gelassen. Der Vorteil? “Während dieser Zeit lösen sich die Aromen aus den Schalen und die Weine werden komplexer.”
Im Keller bekommt jeder Wein sein eigenes Holzfass, mache der Fässer haben einige Jahrzehnte auf dem Buckel. Die Bedingungen sind ideal, das Mikroklima perfekt, der Schimmel schließt den Wein ein wie ein Kokon.
“Etwa 70% unserer Weine vergären mit wilden Hefen.” Spontangärung, beliebt, kontrollaufwändig und etwas riskant. Das alte und natürliche Verfahren gibt jedoch dem Wein die Chance, seinen tiefgründigen Charakter zu entwickeln. Mehr Aufwand allerdings für den Winzer. “Wir kontrollieren jedes Fass mehrmals täglich. Wenn alles gut läuft, gären die jungen Weine etwa 2 bis 3 Monate und haben dann den Großteil ihres natürlichen Zuckers zu Alkohol umgewandelt. Wenn wir merken, dass die Gärung im Holzfass zu stürmisch wird, können wir jedes Fass einzeln kühlen und damit die Hefen zügeln.”
Was macht er neu, anders, besser, dass er mit seinen Weine alle Kritiker zu Lobenshymnen verleitet? Kai Schätzel zeigt uns mal wieder sein strahlendes Lächeln. “Ich arbeite altmodisch, setze Natur vor Technik. Manchmal liegt der Fortschritt eben im Rückschritt.”
Weingut Schätzel
Oberdorfstraße 34
55283 Nierstein
www.schätzel.de