Nicht süß, nicht bitter, schwer zu beschrieben. Dennoch würzen Spitzenköche ihre Kreationen mit Lakritz oder besser mit Süßholz. Es braucht ein „feines Händchen, sonst kann man das Essen schnell verhauen“.
Autor Oliver Zelt,
Foto oben ©fotolia, Luis Echeverri Urrea
Matthias Diether weiß einen guten Grund, mal wieder in sein Restaurant essen zu gehen. „Ich koche mit Lakritz“. In welchem Haushalt hat der Familienkoch schon Lakritz im Gewürzregal? Es braucht ein „feines Händchen, sonst kann man das Essen schnell verhauen“, sagt der Sternekoch, der 2015 aus dem Berliner „first floor“ ins estnische Restaurant „Alexander“ wechselte. Im mehrfach als bestes Lokal des Landes ausgezeichneten „Alexander“ zelebriert Diether seine Version der nordischen Küche.
Lakritz ist intensiv. Eine Messerspitze reicht.
Passt zu karamellisiertem Fenchel oder Balsamico.
Diether nimmt meist eine Messerspitze Süßholzpulver, schon ein halber gestrichener Kaffeelöffel kann zuviel sein. Das richtige Maß rundet den Geschmack ab und gibt eine überraschende leicht herbe Note, wo „man erst einmal grübeln muss, was ist denn da drin“. Trotzdem bleibt Lakritz „ein komplett selbstständiges Produkt.“
„Süßholz ist leicht fenchel-artig“, wagt Matthias Diether den Charakter zu beschreiben. Der Koch serviert passend geschmorte Kalbsbäckchen mit Fenchel und Lakritz. Er vollendet den Bratensatz mit einem Hauch Lakritzpulver und Balsamico und gibt zu einem frischen Fenchelsalat noch feine Fenchelcreme für die Diether karamellisierten Fenchel mit Sahne weich kocht und mit Lakritzpuder und Ahornsirup glatt mixt.
Meist sagen die Gäste nach dem Menü, „so haben sie Lakritze noch nie gegessen“.
Die Spitzenköche entdecken Lakritz für ihre mutigen Kreationen. Was seit der Antike als Medizin gegen Husten, Schnupfen und Heiserkeit galt und jeder als süß-salzige Schnecke aus dem Naschereienregal kennt, würzt nun die Gerichte der Küchenmeister. Nicht als tiefschwarzer Lakritzsirup, der aus dem Sud von Süßholzwurzeln gewonnen wird. Die Köche nehmen die getrocknete Wurzel, als Pulver oder gleich im Ganzen.
Süßholz ist nicht süß und hat mit dem bekannten Lakritzgeschmack wenig zu tun.
Es sei „eher herb, leicht erdig aber nicht rindig“, beschreibt Sören Anders sein Gaumengefühl. Der Koch raspelt in seinem Karlsruher Restaurant „Anders auf dem Turmberg“ vorsichtig eine kleine Stange Süßholz in die Soße für eine Taube mit Chicorée. „Ich koche gerne mit Lakritz“, sagt Anders. Nicht wegen des „Ah“ und „Oh“ der Gäste, wenn er ihnen verrät, welches Gewürz diesen ganz speziellen Saucengeschmack hervorgebracht hat. Anders hat Spaß am anders kochen. Neben Bries, Zunge und Kopf vom Kalb liegen Süßkartoffeln und Lakritzgeleewürfel. Zum Pfälzer Lammrücken gibt es Kümmel-Lakritz-Aromen. Und auch eine Ente gewinnt mit Feige und Lakritz.
Als Pionier der Lakritzküche gilt Heston Blumenthal, der es tatsächlich fertig brachte, Lachs in einem Sud aus Süßholzraspeln und süßen Lakritzschnecken aus der Bonboniere um die Ecke zu pochieren.
Lakritz zu Meeresfrüchten? Klar, das geht, sagt auch Zweisternekoch Daniel Achilles. Achilles und sein Team im Berliner Restaurant „Reinstoff“ köcheln Kombualgen, die im Meer bis zu zehn Meter lang werden, in einem Mix aus Dashi, Reisessig und diversen Sojasaucen sehr lange ein bis sie in einem dicken, süßlichen Sirup liegen.
„Die Kombualge entwickelt so einen natürlichen Lakritzgeschmack, der durch die eingekochte Sojasauce verstärkt wird“, sagt Achilles. Großartig und wunderschön seien auch die „Matsubadaki-Algen“, ebenfalls aus Kombi gemacht.
Die Norddeutschen geben den getrockneten Algen noch mehr Power und ummanteln sie mit einer Extra-Portion Lakritzpulver. Als kleingeschnittene Sticks geben sie Austern und Langusten einen besonderen Kick. Matthias Diether kann sich Fisch mit Lakritz durchaus vorstellen. „Vielleicht mit Aal, der einen Hauch Süßholz vertragen könnte“. – Die Gäste dürfen sich also auf weitere Überraschungen freuen.