Artesisch hat nichts mit Art bzw. Kunst zu tun. Das mag einem schnellen Leser vielleicht entgehen, der auf der Mineralwasserflasche Minus 181 den Zusatz “German Artesian Water” liest und glaubt ein besonders kuntsvoll produziertes Wasser mit außergewöhnlichen Inhaltsstoffen zu trinken – Ein Eindruck, der sicher dem Preis geschuldet ist, ca. 18 € im Handel, rund 30 € in der Gastronomie. Pro Flasche, versteht sich.
Autor Sabine Ruhland,
Fotos ©foodhunter
Artesische Quelle – das klingt geheimnisvoll und einzigartig. Ist es irgendwie auch. Dennoch reden wir von Grundwasser. Der einzige Unterschied: Während sich Grundwasser normalerweise ganz einfach seinen Weg durch die Schichten bahnt, als Quelle irgendwo auftaucht und fachlich als “freies” oder “ungespanntes” Grundwasser bezeichnet wird, ist artesisches Wasser “gespannt”, sammelt sich in einer Senke unterhalb des normalen Grundwasserspiegels und wird durch eine darüberliegende undurchlässige Tonschicht gestaut. Bohrt man diese Schicht an, tritt das Grundwasser durch den hohen Druck ohne weitere technische Hilfsmittel an die Oberfläche. Et voilà, der artesische Brunnen.
Lage, Lage, Lage.
Grundwasser ist ein Resultat seines Bodens.
Minus 181 entstammt einer artesischen Quelle aus Parchim in Mecklenburg-Vorpommern. Parchim gilt als waldreichste Stadt der Region, in ihrer Nähe liegt die Müritz-Elde-Wasserstraße, stehen die höchsten und wahrscheinlich ältesten Douglasien Norddeutschlands, gibt es die Darzer und Slater Moore und 16.000 ha Europäisches Vogelschutzgebiet. Natur pur ohne Industrie, da kann sich nur Wasser im Erdreich sammeln, das fein und rein ist.
Minus 181 ist ein naturgegebenes Geschenk aus der Tiefe.
Preislich allerdings ein Überflieger: knapp 19 € für 681 ml.
2011 habe man mehrere etwa 200 Meter tiefe Brunnen gebohrt, in der Hoffnung, auf makelloses Trinkwasser für die Bürger zu stoßen, sagte Dirk Kempe, Chef der Stadtwerke Parchim in einem Interview Die angezapften Vorkommen – allesamt artesische Brunnen – erwiesen sich als völlig schadstoff- und keimfrei, das Wasser überzeugte durch seinen reinen, milden Geschmack.
– Zu gut, um ausschließlich als Trinkwasser aus den Hähnen zu fließen. Also ließen die Stadtwerke einen der neuen Brunnen nach Mineralwasserverordnung zertifizieren, um sich selbst Konkurrenz zu machen. Macht Sinn, denn in der Regel sehen Stadtwerke neidvoll auf die Mineralwasser-Unternehmen, die Wasser zu einem vielfach höheren Preis verkaufen.
Allerdings möchten Stadtwerke Parchim und Investoren ein Statement setzen: edel designte Flasche ohne jede Naht, statt Drehverschluss ein Pfropfen aus Glas, puristischer Logo-Aufdruck statt knalligem Etikett. Alles wirklich sehr schön – und vor allem sehr teuer. Knapp 19 € kostet die Luxusflasche.
Keine Frage, das Wasser schmeckt weich, winzigste, kaum spürbare Bläschen erzählen die Geschichte vom langen Weg aus den Gesteinsschichten. Richtig temperiert schmeckt Minus 181 und ist als unaufdringlicher Essensbegleiter bestens geeignet – weshalb dieses Wasser auch ausschließlich in der gehobenen Gastronomie anzutreffen ist und den Gast dort rund 30 € kosten wird. Scheuen Sie sich dann nicht – sagen Sie ruhig, dass Sie die teuer bezahlte Designflasche mit nach Hause nehmen möchten …