von foodhunter
Kategorie: Restaurants

Rewithia, Vassilopites, Tselementes. Griechische Küche mal anders

Rewithia, Vassilopites, Tselementes. Griechische Küche mal anders

„O Kyrie Antonis einai eki?“ fragt Giorgos vernehmlich in die Rezeption des Hotels Boulis im Hafenort Kamares. Die Antwort kommt aus dem Hof. „Nein, er ist auf dem Acker. Die Tomaten brauchen ihn“, erklärt Antonis Frau mit hörbarem Amusement. Das sei nicht weit, klärt mich Giorgos auf. Die Felder lägen gleich hinter der Häuserreihe. Da und dort knabbern Neubauten an den rotbraunen Parzellen fruchtbaren Ackerlandes, meist liebevoll bewirtschaftet. Auf einer entdecke ich Hotelier Antonis, prüfend zerbröselt er Erdbrocken zwischen den Fingern. Gegen die tief stehende Sonne glitzern die staubigen Partikel wertvoll und Antonis scheint zu gefallen, was er sieht. „Zeit auszupflanzen!“ So entdeckte Foodhunter-Autor Martin Swoboda die „Wurzel“ der griechischen Küche. 

 

Autor Martin Swoboda, Fotos ©homolka

 

Antonis hat eine ganze Reihe von autochthonen Feldfrüchten im Programm, zudem Samen, die zum Beispiel in Santorin gewonnen werden, wo das Klima immer schon trockener war. „Die sind besser an die Hitze angepasst, Bedingungen mit denen wir uns jetzt auch anfreunden müssen.“ So wird er im Herbst Kirschtomaten ernten, die praktisch ohne Bewässerung gedeihen, zwar klein bleiben, dafür aber mit ihrem unvergleichlichen Aroma Größe beweisen. Und Rewithia, goldgelbe Hülsenfrüchte, aus denen Fava gemacht wird, ein feines Püreé, das mit groben Stücken geschmackvoller Zwiebel, einem herzhaften Schuss grünen Olivenöls und frischen Brot genossen wird.

 

 

 

DER Tselementes. DAS Kochbuch der griechischen Küche

 

Apropos Feinschmecker: wenn griechische Hausfrauen über die korrekte Zubereitung eines klassischen Gerichtes streiten, endet die Diskussion oft mit dem Satz: „Tselementes sagt aber, das gehört so und so!“ Dieses Argument sticht, schließlich ist DER Tselementes DAS Kochbuch der griechischen Küche, vergleichbar der guten alten Prato unserer Großmütter.

Nikos Tselementes, geboren 1978 auf Sifnos, verließ die Insel, um sich als Koch zu verdingen, erst in Athen, später in Paris und im Sacher in Wien. Zurück in Athen bekochte er Botschafter und Unternehmer, gab Kochkurse für Damen der besseren Gesellschaft, die wie er meinten, die griechische Küche sei unter den Osmanen barbarisch verfälscht worden. Die von ihm propagierte Verwendung von Butter und andere französische Moden stießen bei den Griechinnen auf offene Ohren. Wie weitreichend sein Einfluss ist, lässt sich unschwer an der Selbstverständlichkeit erkennen, mit der wir, und erst die Griechen, die Bechamel-Sauce als typischen Bestandteil der griechischen Küche verstehen. Ob Pastizio, Kleftiko oder Moussaka, die gratinierte Haube gehört dazu, aber halt erst seit etwa hundert Jahren.

Ende des neunzehnten Jahrhunderts erwirtschafteten die sifniotischen Köche im Ausland gut ein Viertel der Inseleinkünfte, das Geld wurde dringend gebraucht, denn abgesehen von Baumwolle gab die Erde nicht genug her, um ihre Bewohner zu ernähren. In klassischer Zeit hatten die Gold- und Silberminen noch genug abgeworfen, um in Delphi sogar ein eigenes Schatzhaus zu unterhalten, doch diese Zeiten waren vorbei.

 

Griechenland, Foto homolka

„Alles was du brauchst, um gutes Essen zuzubereiten, findest du hinten frisch am Feld. Und sonst kommt es nur auf die richtige Menge Wasser und Salz an!“

 

Aber Blei gab es noch genug, und erstklassigen Ton, auch reichlich Wasser und gleichmässige, trockene Winde, tönernes Kochgeschirr aus Sifnos war seit Urzeiten ein Muss in jeder Küche. Wegen der regen Nachfrage fertigte man die Töpfe gleich in eigens errichteten Manufakturen am Strand, geformt wurde in einer langen Werkstatt, getrocknet draußen, gebrannt in dickwandigen Öfen, in Platys Giallos kann man sich das noch gut ausmalen.

Allerdings kommen dort heute keine rohen Töpfe in den Ofen, sondern fein gefüllte, George Narlis hat die Töpferei seiner Vorfahren in eine Taverne verwandelt und kocht streng nach den Prinzipien der Oma. „Alles was du brauchst, um gutes Essen zuzubereiten findest du hinten frisch am Feld. Und sonst kommt es nur auf die richtige Menge Wasser und Salz an!“ Deswegen heisst die Taverne auch so, `Nero kai Alati´. Die Produkte kommen noch immer aus der eigenen, biologischen, Landwirtschaft, von Tselemntes hält er eher wenig, der hätte die griechische Küche nur europäisch verfälscht. Nichtsdestotrotz serviert er einen wunderbaren Fleischeintopf im Tontöpfchen – mit Bechamel überbacken.

 

 

 

Zum Dessert steht noch ein Besuch von Tselemntes´ Haus auf der Karte, oben in Exampelas, einer der circa sieben Orte oben im Inselzentrum, die gemeinsam die Hauptstadt bilden. Malerische Weiler und heimelige Dörfer, von grünen Feldern unterbrochen und einem breiten Fussweg verbunden, der sich bergauf bergab durch und um die einzelnen Siedlungen schlängelt. Sogar durch mein Hotel, das Petali Village in Apollonias führt er von Ano Petali kommend mitten durch, auf der anderen Seite neben der Reception hinaus führt er nach Artemonas und Kato Petali. Kato heisst übrigens `Unteres´, es geht also in Summe ein wenig bergab, rasch landet man so im `Zacharoplasteion Theodorou´, wo die Vassilopites, herrlich klebrige Sesam-Zuckerriegel in traditioneller Manier hergestellt und händisch verpackt werden. (Foto Einleitung)

Den Zutritt zu Tselemntes Haus gewähren ältere Damen, sie warten vor der Haustüre, eine versucht sich seit geraumer Zeit mit sämtlichen Schlüsseln aus ihrem Körbchen am alten Schloss, leider erfolglos. Durch die staubigen Scheiben erkenne ich immerhin die beeindruckende Küche, eindeutig in altfranzösischem Stil gehalten, könnte auch Caremme gefallen haben. Macht jedenfalls Appetit, Giorgos und ich beschließen mit Antonis Essen zu gehen, er kennt was Feines in der Nähe, die drei Damen haben schon was im Rohr. Während sie zurück in ihre Küchen schleichen, wird die Unterhaltung etwas lauter, um die korrekte Zubereitung des Abendessen dreht sie sich, selbst der grosse Tselementes scheint noch Raum für persönliche Auslegungen zu lassen.

 

Griechenland, Foto homolka

 

Für Antonis ist das unerheblich, er möchte zurück zum Ursprung, bevor mit Menschen wie Tselementes der westeuropäische Einfluss nach Griechenland gekommen ist. Im Gegensatz zu den Urgroßmüttern sieht er nämlich die barbarischen Einflüsse von dort kommend – Unilever Nestlè und Co. waren früher in Griechenland so unbekannt wie Cholesterinwerte und Diätwahn. Richtig betrieben tut die mediterrane Küche nicht nur dem eigenen Wohlbefinden gut, sondern auch noch dem natürlichen Gleichgewicht.

 

WISSENSWERTES UND INSIDER-TIPPS

 

Nicholas Tselementes schrieb ein Kochbuch, das zur Bibel für die griechische Küche wurde. Dabei formulierte er auch so etwas wie eine hohe griechische Küche, die deutlich französischen Einschlag bekam. Besonders zeigt sich das im Import der Bechamelsauce. Durch diese sehr mächtige Sauce wurde das Bild traditioneller Ofengerichte verändert. Die Moussaka, eine Schichtspeise mit Aubergine und Hackfleisch, rückte dadurch stark in die Nähe einer Lasagne. Die lange gefeierte Aufwertung der griechischen Küche hat jedoch inzwischen auch Kritiker auf den Plan gerufen, die dadurch ein Verwässern dessen bemängeln, was in ihren Augen griechische Küche bedeutet.

 

Griechenland, Foto homolka

 

Der Hafenort Kamares liegt auf der Insel Sifnos. Jeder der nach Sifnos mit der Fähre reist, kommt in Kamares an.

Hotel Petali
Zentrale Ruhelage, Meerblick, Luxuszimmer – liest man oft im Prospekt, aber hier stimmt´s! Gut, zum Meer ist es weit, dafür hat man einen wirklich atemberaubenden Blick zu den Nachbarinseln, und auf die halbe Insel noch dazu, übrigens auch vom Pool. Die Anlage besteht aus ehemaligen Dorfhäusern, dementsprechend heimelig fühlt man hier! www.sifnoshotelpetali.com

Hotel Boulis
www.hotelboulis.gr

Sehenswert:
Kastro. Die alte Hauptstadt zeigt, wie beeindruckend Recycling sein kann. Alte Sarkophage dienen als Wasserspeicher, die archaischen Häuser im Schutz der Stadtmauer stützen sich auf bezaubernde klassische Säulen, der längliche Hauptplatz folgt der Tektonik des Burghügels, da fühlt man sich einfach beschützt.

Gut essen:
Wie ein Piratennest klebt an der Steilwand die `Kafe Bar Kavos Sunrise´, originell sind Dekor und Drinks.
Auch das `Restaurant Leonidas´ bietet prachtvollen Blick, dazu herrlich sifniotische Küche nach Rezepten der Großmütter.
Leonidas Memegakis, Kastro, +302284031153

 

Griechenland, Foto homolka

 

Perfekte Bucht samt Genießeradresse:
Platys Giallos. Nicht nur die Fischer schätzen die Bucht im Süden wegen ihrer windgeschützten Lage, auch zum Baden lädt sie ein, denn lange Sandstrände sind auf Sifnos gar nicht oft  zu finden. Auch George Narlis findet man hier, sein Restaurant `Nero & Alati´ verwöhnt mit herrlichem Essen. Man kann es sich aber auch gleich gemütlich direkt am Meer in der `Lodge Narlis´ einrichten. www.lodge-narlis.gr

 

Griechenland, Foto homolka

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