„Cuisine de terre“, zumindest ist sie das für uns, denn der Schweizer Stefan Wiesner kocht mit Kohle, Mooreiche, Holz, Steinen, Leder, Rost, Torf, Baumharz, Mondmilch, Kuhhorn oder Amber. Beim Treffen der Kochelite in Spanien nannte Gault Millau seine Küche ECO-Küche, die Küche der Zukunft. Dabei geht er „back to the roots“, an die Wurzeln alles Essbaren. Ein Ausflug zum Hexer ist ein Erlebnis, denn es ist mit keinem anderen Restaurant vergleichbar. 1 Michelin-Stern, 17 Gault Millau Punkte.
Autor Sabine Ruhland, Fotos ©Foodhunter
Das Restaurant Rössli liegt im Entlebuch, jenem Tal der Schweiz, das von der UNESCO zum Biosphärenreservat erhoben wurde. Heimat von Stefan Wiesner, der sich von der Natur inspirieren lässt. Die Basis seiner Küche sind “Modifikatoren”, Bausteine, die verschiedenen Komponenten zu Eigen sind und kombiniert für ein neues Geschmackserlebnis sorgen. So passt Bier zu Cassis, Radieschen zu Senf, Kiwi zu Rum.
„Wenn ich weiß, dass sich Auster und Kokosnuss vertragen, dann werd’ ich doch mutig in der Küche, oder?“ sagt Stefan Wiesner.
Wie kommt er eigentlich auf diese verrückte Idee? „Ich wollte Parfums nachkochen“, sagt er verschmitzt. „Parfumeure sind uns Köchen meilenweit voraus, sie könnten auf rein natürlicher Basis Trüffelduft nachbauen und bräuchten dazu nicht einmal eine Trüffel.“
So hat er angefangen sich intensiv damit zu beschäftigen. Amber, Veilchen, Holz. Lavendel, Gras, Bergamotte. Kampfer, Harz, Pfirsich. Balsam, Schokolade, Vanille. Wer sich näher mit der Zusammenstellung von Parfums beschäftigt, versteht, warum Stefan Wiesner diese Kompositionen derart faszinieren.

Wer keine korrespondieren Weine will, bekommt die Weinkartei. Ist, was es ist und bereitet einfach nur Vergnügen
25 verschiedene Baumarten „verkocht“ er inzwischen. Blätter, Rinde, Saft. Selbst vor der giftigen Eibe schreckt er nicht zurück. Das Destillat, das er daraus brennt, ist verführerisch mild, schon ein Tropfen betört. Er kreiert Eissorten wie Zirbelholz oder Rost.Kaum ein Eismacher, der da nicht ins Grübeln kommt…
Im zweiten Stock des Gasthauses hat er sein Labor. Besser gesagt eine vollgestopfte Kammer, in der auch altes Spielzeug der Kinder Platz gefunden hat. Fläschchen, Schalen, Kisten stapeln sich. In kleinen Behältern auf der Kommode ruhen Torf, Weinsteinsäure, Kohlestücke, Teufelsschreck, vegetativ gefärbtes Leder – „lassen wir mitkochen, gibt einen feinen Geschmack. Ischt wie ein Gewürz” – Elemi, Baumharz, eine 3000 Jahre alte Mooreiche, Zistrosenharz und sogar Mondmilch.

Ochsenschwanzragout mit Sojasauce und Yuzugranulat, dazu Forellenfilet und frische Bachkresse – die „trocken“ im Glas serviert und mit heißem Schmelzwasser, gefiltert über Bergkristalle, aufgefüllt wird
Sein gebratenes Zanderfilet wird auf Birkenholz serviert, dazu gibt es Birkensaftschaum, Birkenteesauce und Birkenknospen eingelegt in Traubenkernöl. Als Farbtupfer Erdbeerschaum. Herrliche Ergänzung auf den ersten Gang, die Suppe – Ochsenschwanzragout mit Sojasauce und Yuzugranulat, dazu Forellenfilet und frische Bachkresse – die „trocken“ im Glas serviert und mit heißem Schmelzwasser, gefiltert über Bergkristalle, aufgefüllt wird. Dazu ein Humage Banche 2009 aus dem Wallis.
Der vierte Gang ist ein „Ei im Glas“, eingelegt in geröstetem Roggen-Weizenmehl. Dazu Ei-Roggenbrot-Glace, Roggen- und Weizensprossen, Bärlauchsauce und Parma-Veilchensauce. Hauptgang Kalbfleisch. Das mögen wir butterzart, aber es geht noch feiner. Stefan Wiesner hat es in Joghurt und Ameisensäure zusammen mit Kardamom und Knoblauch mariniert.
Die Weine zu allen Speisen offeriert die charmante Hamburgerin Patricia. Locker macht sie es, ohne die fachliche Kompetenz vermissen zu lassen, stellt sich rasch auf ihr Gegenüber ein und wählt ihre Worte entsprechend. Wer keine korrespondieren Weine will, bekommt die Weinkartei. Ist, was es ist und bereitet einfach nur Vergnügen. – Wie es der ganze Abend tat.
Stefan Wiesner kocht im Rössli in Escholzmatt, rund 40 km hinter Luzern. Das 6-Gang-Gourmet-Menü gibt es Mi-Sa ab 18 Uhr, So ab 12 Uhr. Reservierung erforderlich. www.hexer.ch

Zanderfilet auf Birkenholz.

Biosphärengebiet Entlebuch