von foodhunter
Kategorie: Regional & Delikat / Reise

Acquerello – der beste Risotto-Reis kommt von Piero Rondolino

Acquerello - der beste Risotto-Reis kommt von Piero Rondolino

Wir sind im Piemont, verabredet mit der Familie Rondolino. Piero Rondolnio, inzwischen Mitte 70, hat den Carnaroli zur Kunst erhoben und sein „Acquerello” gilt als Kaviar unter den Risotto-Reissorten.

 

Autorin Sabine Ruhland
Fotos © foodhunter
(oben v.li. Piero und Umberto Rondolino)

 

Die Landschaft sieht karg aus – flach wie ein Brett und grün wie ein Rasen, auf dem nichts weiter wächst. Doch das endlose Grün der Reisfelder rund um die Städte Novara, Vercelli und Pavia haben die Region zum größten europäischen Anbaugebiet für Reis werden lassen.

Einer der renommierten Produzenten ist die Familie Rondolino, die ihren „Acquerello” inzwischen in alle Welt liefert (inklusive China und Japan) und von internationalen Top-Köchen mit Dankes- und Lobeshymnen überhäuft wird. – Auch der deutsche Generalimporteur Bos Food ist seit vielen Jahren von der Qualität dieser Reis-Klasse überzeugt.

 

Reisfelder so weit das Auge reicht. Das Wasser kommt aus den Bergen. Im Hintergrund das Haus der Mondine
Einzigartig, teuer und auf der ganzen Welt begehrt – Acquerello, der gereifte Reis

 

Den besten Risotto-Reis zu liefern, war vor Jahrzehnten der unternehmerische Wunsch von Piero Rondolino. Da Sorten wie Arbori oder Vialone schnell überkocht sind und damit auch ein Risotto schnell zu weich werden lassen, konzentrierte sich Piero Rondolino auf die Sorte Carnaroli.

 

Mein Vater war damit ein Pionier, denn Carnaroli erwies sich für die Industrie als uninteressant, da er nur einmal im Jahr geerntet werden kann und jede Pflanze nur 180-200 Reiskörner trägt. Im Vergleich: andere Sorten können zwei- bis dreimal im Jahr geerntet werden und liefern bis zu 3000 Reiskörner,”, sagt Umberto Rondolino, der uns über das Anwesen führt.

 

Die Sorte Carnaroli hat einen entscheidenden Vorteil: dieser Reis absorbiert die Flüssigkeit besser, kann nicht überkocht werden und verleiht dadurch dem Risotto den richtigen Biss.

 

Der Sitz der Familie Rondolino in Livorno Ferraris, umgeben von 140 ha Reisfeldern.
Die Wände des Esszimmers sind gepflastert mit Lobeshymnen internationaler Spitzenköche.
Umberto Rondolino zeigt die verschiedenen Stufen der Verarbeitung.

 

Nachdem Piero Rondolino mit seinem Carnaroli große Erfolge feierte, setzten immer mehr Reisbauern auf diese Sorte. Also mussten sich die Rondolinos etwas Neues einfallen lassen, um ihre Alleinstellung beizubehalten. So entstand die Idee, den Reis natürlich altern lassen.

 

99 % unserer Ernte wird vor der Weiterverarbeitung für mindestens ein Jahr in Silos bei einer kontrollierten Temperatur von weniger als 15 ° Celsius gelagert.

Dadurch stabilisiert sich die Stärke im Reis und verflüchtigt sich später auch nicht während des Kochens, was zur Folge hat, dass jedes Korn Gewürze und Aromen besser aufnehmen.kann.

Etwa ein Prozent der Ernte wird für die Lagerung von sieben Jahren verwendet, denn wir wollten ein Produkt für die anspruchsvollsten Küchen kreieren”, erklärt Umberto.

 

Nach der Reife durchläuft das Korn ein Procedere, dass sich über zwanzig Arbeitsschritte hinzieht – auf Maschinen, von denen einige seit 1875 im Einsatz sind. Am Ende des Verarbeitungsprozesses kommt ein weiteres geniales Patent zum Einsatz: der beim Polieren abgetrennte Keim des Korns (wichtigster Teil des Reises, da er die meisten Vitamine und Spurenelemente enthält) wird mit seinen Mikro-Nährstoffen dem Reiskorn wieder zugeführt.

 

Während der Verarbeitung, wird der Keim vom Korn getrennt, aber dank unseres patentierten Verfahrens wird er auch wieder integriert. So ist es möglich den Geschmack von weißem Reis mit dem Nährstoffgehalt des Vollkornreises zu kombinieren.”

 

Anschaulich erklärt – Korn und Keim, Korn allein und am Ende beide wieder vereint.
Propeller, Rüttelmaschinen, Trennmaschinen, Sortiermaschinen … 20 Stationen, bis es geschafft ist.
Am Schluss entscheidet das Auge – nur die reinweißen Körner sind gut genug für Acquerello

 

Führungen oder Verkostungen gibt es nicht auf dem Anwesen der Familie Rondolino. Presse, Filmteams oder Gruppen von Biologiestudenten sind jedoch nach Anmeldung herzlich willkommen.

Wir kommen nach unserem Rundgang noch in den Genuss, mit der Familie ein gemeinsames Mittagessen einzunehmen. Im Esszimmer, umgeben von der Dankes-Galerie begeisterter Sterneköche. Da erwarten wir natürlich kulinarisch Herausragendes.

Doch typisch Piemont mit seiner bodenständigen Küche wird uns ein einfacher Reissalat mit Oliven, getrockneten Tomaten und klein geschnittenen Artischocken-Herzen serviert. Kein raffinierter Fond, keine hervorstechenden Gewürze. Pur, so mögen sie das hier.

Der erste Bissen erscheint uns – den cremig-schlonzigen Risotto auf der Zunge – fast etwas trocken. Doch das täuscht, schon die zweite Gabel offenbart die Frische der einzelnen Zutaten, die sich mit dem Reis zu einem herrlichen Geschmack verbinden.

 

Diese Küche lieben wir Piemonteser – einfach, aber mit besten Zutaten. Auch Panissa ist eines unserer Leibgerichte. Dafür Pancetta und Salami in etwa 1 cm große Stücke schneiden, Zwiebeln und Karotten schälen und anschließend mit Selleriestangen in 1 cm große Würfel schneiden. Tomaten stückeln, Bohnen abtropfen, Petersilie und Knoblauch fein schneiden, Parmesan reiben. Brühe in eine Pfanne geben und mit Rosmarin leicht köcheln lassen. Parallel den Reis in einer weiteren Pfanne anschwitzen lassen, etwas Rotwein zugeben. Nun erst die Tomaten zugeben, peu à peu die Brühe und dann das restliche Gemüse. Weitere 20 Minuten köcheln lassen.

 

 

Als wären sie gerade erst weg ….

 

Der Gutshof der Rondolinos, La Tenuta Colombara, hat gewaltige Ausmaße mit Seitengebäuden, Stallungen und riesigen Toreinfahrten. Einst war dieses Anwesen die Heimat der Besitzer wie auch ihrer Angestellten, rund 35 Familien, die auf den Hof mit gelebt und gearbeitet haben. Einige der Wohnräume wie auch das Klassenzimmer sind originalgetreu erhalten. Als wären sie gerade erst weg …

Erst als die Industrialisierung und das Fiat-Werk mit mehr Lohn lockten, verließen die Bewohner den Hof. Oft nur mit dem, was sie tragen konnten und so blieben Habseligkeiten, Kleider, Bücher zurück. Für den Besucher beeindruckend wie beklemmend zugleich, als moderner Voyeur in das Leben dieser Arbeiter einzutauchen.

 

Früher Stall, gestrichen in dem markanten Blau, das angeblich Mücken abschreckt

 

Es gibt noch eine Steigerung der langen Geschichte: das Haus der Mondine, das letzte seiner Art weltweit

 

Das langgestreckte zweigeschossige Gebäude steht abseits der Hauptgebäude, denn es diente als Unterkunft für 200 Frauen von 7-50 Jahren, den rumänischen Reisarbeiterinnen. Die Männer der auf dem Hof lebenden Familien sollten sie nicht sehen und in Versuchung geraten. Für die Reisarbeiterinnen waren die Arbeitsbedingungen hart, stundenlang im Wasser stehend, den Moskitos und der prallen Sonnen ausgesetzt.

Das berühmte Partisanenlied „Bella ciao” hat seinen Ursprung in den padamischen Reisfeldern und beklagt diese Arbeitsbedingungen. Bereits die 1906 dokumentierte Fassung trägt die Züge eines Protestliedes gegen den Besitzer, der „mit einem Stock in der Hand“ die Arbeit überwacht, das Leben der Frauen „aufzehrt“ und sie schlecht entlohnt. – Die Rondolinos sorgen dafür, das diese Geschichte nicht vergessen wird.

 

 

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