Welcher Franzose würde schon zugeben, dass es eigentlich die Engländer waren, die stillen Weißwein in prickelnde Verführung verwandelten?
Auch wenn der französische Benediktinermönch Dom Pierre Pérignon, geboren 1638, als Erfinder des Champagners gilt, die verrückten Engländer haben dem Weißwein schon vor ihm das Perlen beigebracht.
Autorin Sabine Ruhland,
Fotos ©foodhunter
Mit seinem leidenschaftlichen Ausspruch „Brüder, kommt schnell. Ich trinke Sterne!“ ging er in die Annalen ein: Dom Pérignon. Unbestritten ist, dass er den Champagner aufs Feinste kultivierte, ein anderer vor ihm aber den prickelnden Weißwein erst populär machte: Charles Marguetel de Saint Denis, Seigneur de Saint-Evremond
Charles Marguetel de Saint Denis, Seigneur de Saint-Evremond (1610-1703) war ruhmreicher Soldat, bekannter Autor, Philosoph, Genussmensch, Satiriker mit messerscharfer Intelligenz, unverblümt wie undiplomatisch, was den französischen König Ludwig XIV schließlich bewog, ihn vor die Wahl zu stellen: Bastille in Frankreich oder Exil in England.
Saint-Evremond wählte das Exil und wurde schnell zum „Botschafter des guten Geschmacks“ am Hofe Königs Karl II, denn der verstoßene Franzose war es, der fässerweise die hochwertigen Weißweine aus der Champagne (vin gris) einführte.
Feinste Tropfen in den Händen kulinarischer Dilettanten, das geht nicht gut. Und ja, die Engländer ganz frech, gaben Zimt, Nelken, Zucker und Melasse in den feinen Wein und füllten ihn aus den Fässern in Flaschen ab. Dort in den Kellern setzte sich die zweite Gärung fort, der Wein perlte, Hof und Adel waren ganz verrückt danach.
Es gibt alte Rechnungen dieser Epoche, in denen die Kosten für den Wein, die Flaschen und die Korken separat aufgeführt wurden.
Die Winzer der Champagne wären wohl nie auf die Idee gekommen, ihren Weinen Derartiges hinzuzufügen, doch schon bald hörten sie von den „herrlich perlenden Weinen aus der Champagne“, die Saint-Evremond in England heftig bewarb.
Wohlgemerkt Jahre bevor die Benediktinermönche Dom Pérignon und Frère Jean Oudart die Perfektion dieser Art von Weinen anstrebten, was um 1670 gewesen sein muss, denn erst 1668 wurde Dom Pérignon Kellermeister in der Abtei.
Laut französischer Überlieferung entstand das Prickeln zufällig, denn Hauptanliegen der Mönche war es, dem Wein aus der Champagne durch gekonnte Traubenverschnitte eine einzigartige Qualität zu verleihen. Eher irritiert sollen die Herren das leichte Perlen betrachtet haben.
Die feinen und eigentlich unerwünschten Bläschen waren Ergebnis eines natürlichen Prozesses, der durch das kühle und raue Klima der Champagne sowie die kurze Vegetationsperiode für den Wein mitbestimmt wurde.
Nachdem die Trauben oft spät im Jahr gepflückt wurden, blieb den in den gepressten Trauben enthaltenen Hefen nicht genug Zeit, den vorhandenen Zucker vollständig in Alkohol umzuwandeln. Die kühlen Wintertemperaturen brachten die Fermentation für einige Wochen zum Erliegen.
Erst mit den wärmeren Temperaturen des Frühlings kam dann die Gärung in der Flasche ein zweites Mal in Gang. Das bei diesem Prozess entstehende Kohlendioxid sammelte sich in der fest verschlossenen Flasche und sorgte für das entscheidende Kribbeln.
Das versehentliche Abfüllen unfertigen Weines wurde somit in der Folge zu einer regelrechten Kunst entwickelt und immer weiter verfeinert. Dem Siegeszug des edlen Tropfens stand fortan nichts mehr im Wege. Der Champagner wurde das ultimative Getränk der Reichen und Schönen, der Intellektuellen und Politiker, der Stars du Sternchen und steht bis heute als Symbol für Exklusivität und Luxus.