2015 besuchen wir erstmals Sven Nieger. Damals schon begeistert uns der junge Winzer mit einer charaktervollen Handschrift, die weit entfernt ist vom Mainstream-Riesling, die sich wagemutig markant und ungestüm zeigt. Dass er mit dieser Konsequenz nicht die breite Masse an Weinfreunden überzeugen würde, war absehbar. Auch, dass er sich übernehmen könnte mit seinen Ideen und den immer neuen Weinbergen, die sein Portfolio erweitert haben. Trotz aller Hürden ist er sich treu geblieben und seine Weine besser denn je. Nun hat ihn auch noch ein ungewöhnlicher Ritterschlag ereilt.
Autorin Sabine Ruhland, Fotos © foodhunter
Es gibt Dinge, die sind mit Geld nicht zu bezahlen, heißt es in einer Werbung. Eine Aussage, die Sven Nieger sicherlich unterschreibt. Jahrelang eher ein „Underdog” in der Szene und dann steht plötzlich im Mai auf dem Wein- & Gourmet-Festival in Baden-Baden Massimo Bottura an seinem Stand, 3-Sterne-Koch aus Italien, ,dessen Osteria Francescana seit Jahren unter den 50 besten Restaurants der Welt zu finden ist, 2016 und 2018 gar diese Bestenliste anführte.
Bottura will das „Mauerblümchen” probieren. „Mir haben die Hände gezittert”, sagt Sven. „Ich war aufgeregt, was er sagen würde.” Massimo Bottura erkennt sofort, was Sven Nieger im Sinn und in seinen Flaschen hat. Er bestellt – nicht nur das Mauerblümchen, sondern auch die Underdop-Jahrgänge 2014, 2015, 2016, 2017, 2019, 2020 – blind, ohne sich durchzuprobieren. Ein kleiner Schmierzettel reicht, Lieferadresse die Osteria in Modena. Den Bestellzettel hat Sven Nieger inzwischen eingerahmt. Persönlich will er nach Modena fahren, um die Weine zu übergeben.
Auch in Singapur sind seine Weine präsent, Wine Mouth führt sie und so ist es nicht erstaunlich, zwei junge Damen aus Singapur vorzufinden, die sich spontan zur Weinprobe eingefunden haben. Es hat sich seit unserem ersten Besuch nichts verändert. Der Tisch im Hof, man rück zusammen, die charmante Mama Nieger bringt Flammkuchen und Sven köpft seine Jahrgänge, erklärt so gut er kann Lage und Philosophie. Die Mädels sind angetan – zu schade, dass die Flaschen nicht in den Flieger mitkönnen, denn in Singapur zahlen sie ein Vielfaches für die Weine. Also wird kräftig verkostet – Sven ist mit seinen Ausschank mehr als großzügig.
Kaum sind die angeschickerten Mädels Richtung Bus unterwegs, begrüßt Sven Mirelle und Peter. Das Paar lebt abwechselnd in der Schweiz und in Baden-Baden und möchten ihre Weinkeller aufstocken. Gemeinsam verkosten wir den Underdog 2014, 2015 und 2019. Wir sind geflasht von der Metamorphose, die die Weine vollzogen haben. Aus Kanten sind Rundungen geworden, Vollmundigkeit, Tiefe und Volumen haben sich ausgebreitet. Gilt sonst der Leitsatz, Rieslinge müssen jung und frisch getrunken werden, kann dieser bei Nieger getrost außer Acht gelassen werden. Bottura hat das alles richtig erkannt – mit einem einzigen Schluck.
Natürlich verkosten wir auch das Mauerblümchen, dessen Reben auf alten Steinterrassen im Neuweier Mauerberg Wurzeln geschlagen haben. .Zwischen den Steinen tummelt sich das duftige Zimbelkraut, das die Einheimischen liebevoll Mauerblümchen nennen. Niegers Riesling mag zwar den schüchternen Namen tragen, hat jedoch ein elegantes Säurespiel und – wie alle Weine von Sven Nieger – auch Biss, feinsaftige Frucht und viel Mineralik.
Dass Sven Nieger sein Handwerk versteht und exzellente Weine macht, „untypisch badisch” wie er selbst sagt, zeigt auch die Aufwertung von 3 auf 5 Trauben im Gault&Millau Weinguide Deutschland 2023. – Die Zeit ist reif für den badischen ”Underdog”.
Weingut Sven Nieger
Gartenstraße 21
76534 Baden-Baden