Restaurant ist geschlossen.
„Quiet please, the dinner will now be served“. Konzentration auf eine existenzielle Gabe des Lebens und bewussteres Genießen bietet ein Restaurantbesuch im Stadtteil Brooklyn in New York. Bei gerade mal 25 Gästen an mit Steingut bestückten Holztischen ist im Restaurant „EAT“ Schweigen angesagt. Das machte derart viel Wirbel, dass die eigentlich Philosophie – Produkte von kleinen, regionalen Lieferanten zu nehmen, sich vegetarisch zu ernähren, alles frisch zuzubereiten – in den Hintergrund rückte. Dabei beschrieb bereits das Time Out NY Magazine „Eat is one of the borough’s most accessible local-food cafes.“
Autor Rudolf Danner
„Quiet please, the dinner will now be served“ , damit eröffnet der 28-jährige Nicholas Naumann das kulinarische Event, überwacht das freiwillig auferlegte, wöchentlich reservierbare Schweigegelübde und beendet nach 90 Minuten mit erlösendem „Thank‘s guys“ und Händeklatschen die andächtige Stille. Die Resonanz der Besucher: geteilt.
Inspiriert hat ihn zu diesem Selbsterfahrungsangebot das tägliche Schweigefrühstück während seines Aufenthalts in einem Buddhistischen Kloster. Zunächst monatlich geplant ist das „Eat“ jetzt auf Monate hinaus jede Woche zum Schweigemenü ausgebucht – und das, obwohl man versucht ist auch über das eher bescheidene Organicmahl den Mantel des Schweigens zu legen. Kürbissuppe, handgemachte Nudeln mit Jakobsmuscheln und Calamare, grätige Forelle, Pecan-Ricottakäse, brauner Reis, Salat mit Senfkörnern, Radieschen und Misodressing, wässriger Minzetee lösen nicht gerade Jubelstürme aus und weder Schönreden noch Schöntrinken sind mögliche Optionen, denn alkoholische Getränke stehen nicht auf der Karte.
Die Atmosphäre ist eher angespannt, kein verzücktes Ohh, Ahh oder Mmm begleitet die Speisenfolge kein begeistertes „great“ ist zu hören, kein Essenskommentar entflieht dem Gehege der Zähne und ein vorgegebenes Set-Menü soll Gesprächsbedarf im Keim ersticken.
So beschränkt sich der Gast auf die vielfältigen Möglichkeiten der nonverbalen Kommunikation wie Mimik und Gestik, versucht sich in pantomimischen Darstellungen und überbrückt die Pausen bis zum nächsten Gang mit Serviettenfalten, Husten-, Lachanfall oder Nießreizvermeidung, Mund halten ist das Gebot der 1 ½ Stunden. Vergleichende Beobachtungen der stummen Mitesser am Longtable liefern einen eher bescheidenen Beitrag zum weltweit propagierten Social Food Aspekt, aber es muss ja nicht alles zerredet werden, gemeinsames Schweigen hat auch eine soziale Komponente.
„Erst fühlte ich mich wie nach 50 Ehejahren, dann kam ein gutes Gefühl für Stille auf“
Angesichts der drastischen Strafe ist man buchstäblich zum Schweigen verurteilt, denn bei Zuwiderhandlung wartet auf die Schweigebrecher (loudmouths) draußen vor der Tür eine Art Austragsbank, um dort für vorüberziehende Passanten erkennbar gebranntmarkt das Essen fortzusetzen. Drinnen fast beängstigend – weil ungewohnt – die Stille, nur von gelegentlichem Besteckgeklapper und Kochgeräuschen aus der Küche unterbrochen. Einerseits anstrengend, psychisch belastend sogar, wenn der Gast alles in sich „hineinfressen“ und alleine wortlos verarbeiten muss, andererseits auch wohltuend entspannt die Essenserfahrungen konzentriert multisensorisch aufzunehmen und im geistigen Dialog mit dem eigenen Ich zu erörtern.
„Es ist eine Art von Meditation“, erklärt Eat-Inhaber Jordon Colon, „das Schweigen spricht für sich“. Lassen wir zum Ende noch einen Gast zu Wort kommen: „Erst fühlte ich mich wie nach 50 Ehejahren, dann kam ein gutes Gefühl für Stille auf“. Mit Gold muss dieses Schweigen nicht aufgewogen werden, lediglich 40 Dollar für 4 Gänge sind an den Exerzitienmeister zu zahlen. Der Rest ist Schweigen. Aber vielleicht muss man gar nicht hin, zum Schweigemenü, denn das EAT ist ansonsten ein vegetarisch-engagiertes Restaurant mit täglich wechselnden Gerichten. Das könnte ja auch schon reichen, um vorbeizuschauen.
Restaurant Eat
124 Meserole Ave. Greenpoint, Brooklyn, New York