Wie sieht er aus, der „Schläckhaftigste“ unter den Lebkuchen, welche Eigenschaften sollte er haben? Schön dunkelbraun muss er sein und seidenmatt glänzend. Mit perfekten Rundungen begeistern und einem liebreizenden Duft. Würzig soll er sein, aber nicht überwürzt. Am Gaumen darf er nicht kleben und einen saftigen Biss muss er mitbringen. Klar definiert sollten die Aromen im Munde zerfallen. An Schokolade darf nicht gespart werden. Ein Verführer muss er sein, ein Herzensbrecher, ein Leib- und Seelenwärmer.So unsere Wunschliste, die wir mit auf den Weg nehmen, um Nürnbergs beste Lebkuchen zu finden und wir werden nicht enttäuscht.
Autor Jörg Kaiser
Institution – Confiserie Karl Neef
Kaum eingetreten ins Hexenhäuschen, will meinen die alteingesessene Confiserie unweit des Nürnberger Hauptmarktes, ist vom ersten Moment eine wohlig warme Atmosphäre spürbar. Imposante Mengen an feinstem Backwerk füllen den Raum, in sanftes Licht getaucht erscheinen vor dem Betrachter gewaltige, diskusgleiche Bleche edler Pralinen, Kuchen und Torten. In den Wintermonaten auch fruchtige Waldbeeren-, Apfel-, Orangen- und Dattelkuchen. Wir verkosteten den Neefschen Elisen-Lebkuchen, ein „dicker Brocken“, Scheitelhöhe 3,5 Zentimeter. Fast schon eine Art würziger Nusskuchen, überzogen mit einem dünnen, vergleichsweise milchigen Schokoladenüberzug. Geschmacklich offenbart er deutliche Haselnuss- und Karamelltöne, zu deren Gunsten Gewürze und Zitruskomponenten in den Hintergrund rücken. Dass die Schokoladenüberreste auf der Rückseite ein wenig an „action painting“ erinnern, macht ihn unverkennbar zu einem echten handwerklichen Produkt und damit noch liebenswerter. Winklerstr. 29, 90403 Nürnberg, Tel. 0911/225179, Mo-Fr 8-18 Uhr, Sa 7-17 Uhr. www.confiserie-neef.de
Sterne-Lebkuchen – Essigbrätlein
Einzigartige Lebkuchen kommen auch aus der 2-Sterne-Küche von Andree Köthe und Yves Ollech. Gemeinsam mit dem Dachsbacher Freibäcker Arnd Erbel entwickelten sie ungewöhnliche Kompositionen: „Olive Noir“ verbindet die Süße der Schokolade mit dem herben Aroma der ligurischen Taggiasca Olive. „Verde“ enthält eine asiatisch inspirierte, frische Kombination mit Kaffirlimette, Lorbeer und Thymian und „Oriental“ exotische, gelbe Aromen wie Safran, Curry, Ingwer und etwas Chili. Die Aromentüftler legen eine geschmacklich und optisch ansprechende Version des Elisen-Lebkuchens vor, bei der die vom Schweizer Chocolatier Max Felchlin gelieferte Grand Cru Schokolade von Hand auf den Gewürzkuchenteig gepinselt wird. – Detailverliebtheit, die von der Auswahl der Zutaten über die Komposition der Aromen und Konsistenzen geht und bis hin zu der zarten, kaum fühl- oder schmeckbaren Oblate reicht. Beim ersten Biss sind unmittelbar frische, angeröstete Gewürze im Mundraum. Koriander, getrocknete Aprikosen, und ein Hauch von Ingwer vermischen sich wunderbar differenzierbar mit einer haselnussigen und kakaoigen Komponente. Dieser Lebkuchen beansprucht zweifelsohne eine Alleinstellung und für diese Konkurrenzlosigkeit lohnt es sich, das vier- bis sechsfache eines „normalen“ Lebkuchens zu berappen. Am besten werden die Lebkuchen bei Zimmertemperatur, in kleine Stückchen geschnitten, zusammen mit einem substanzreichen Portwein genossen. Weinmarkt 3, 90403 Nürnberg, Tel. 0911/225131, Di-Sa ab 12 und ab 19 Uhr. www.tresaromas.de
Held aus einer kargen Kinderstube – Bäckerei Mirus
Ein kleines, flackerndes Neonschild am Straßenrand. Ein karger, betonierter Hinterhof. Im Rückgebäude versteckt sich eine winzige Verkaufsstube, vollgepackt mit erlesenem Backwerk. Nichts deutet darauf hin, dass hier der Geburtsort einer der wohl hervorragendsten Nürnberger Lebkuchen ist. Stefan und Michael, zwei fränkische Brüder, backen ofenfrische Lebkuchen in der ausschließlich zur Wintersaison geöffneten Backstube. Abhängig vom Quecksilberstand in ihrem Temperaturmesser beginnen die Mirus-Brüder schon mal im September – wenn die Temperaturen auf Null Grad und weniger gefallen sind – mit dem Backen, in milden Jahren erst Mitte Oktober. Die tägliche Auflage ist limitiert, an Schlechtwettertagen kann es passieren, dass die Lebkuchen bei Beginn der Dunkelheit ausverkauft sind. Dann muss man sich mit „Naggerdn“, „nackten“ Lebkuchen ohne Schokoglasur begnügen. Der wunderschöne, mittelgroße Pfefferkuchen hat einen gröberen, „nussigeren“ Mahlgrad als die der Kollegen. Dies kommt dem vollen, saftigen Biss zugute. Geschmacklich bieten anfangs frisch angeröstete Nüsse, gepaart mit deutlichen Zitrusaromen einen nicht zu süßen, würzigen Gesamteindruck. Die höchste Auszeichnung erfährt das Backkunstwerk jedoch durch seine Ausgewogenheit, die sich beim zweiten Bissen zeigt. Fein säuberlich steckt „der Mirus“ alle wünschenswerten Koordinaten auf der Zunge ab: Frisch, nussig, schokoladig, fruchtig, süß und würzig. Diese mustergültige Lösung des Zutatenportfolios machen ihn zum Held für alle Zeiten. Pirckheimerstraße 101, 90409 Nürnberg, Tel. 0911/554744, Mo-Fr 9-18 Uhr, Sa 8-14 Uhr. An den Adventssonntagen 13-16 Uhr. www.lebkuchen-mirus.de