Saucen sind das i-Tüpfelchen in der Sterneküche. Meist tröpfchenweise offeriert, um danach samt Saucière und Service wieder zu entschwinden. Nicht so im 2-Sterne-Restaurant JY’S von Jean-Yves Schillinger.
Die federleichte Sauce Hollandaise citronnée zum gerollten Spinat mit Landei, der exotische Thai Fond zur Jakobsmuschel oder die Emulsion von schwarzem Trüffel zum Kohlblatt mit Foie gras sind weit mehr als bescheidene Begleiter zu den Gerichten, sie sind Signature-Dishes des Hauses.
Serviert werden sie nicht nur auf den Tellern, sondern in kleinen „Pots de Sauce”, in die Saucenliebhaber hemmungslos eintauchen dürfen.
Autorin Sabine Ruhland,
Fotos © foodhunter
Dass im JY’S fast schon verschwenderisch mit Saucen, Dips, Emulsionen und Fonds verwöhnt wird, ist ebenso unkonventionell wie der Chef selbst, der nicht selten mit seinem britischen Kollegen und TV-Koch Gordon Ramsay verwechselt wird.
„Gordon Ramsay verdient doch viel mehr als ich”, schmunzelt Monsieur Yves und lässt den Schalk in seinen Augen aufblitzen. Er selbst lehnt TV-Auftritte kategorisch ab, hält nichts von PR und Werbepartnern und ist im Netz nicht gerade omnipräsent. „Ich bin Koch, mein Vater war Koch, also bin ich in der Küche – fast immer.”
Das ist schlicht untertrieben. In Frankreich ist Schillinger ein Begriff, auf deutschen Webseiten findet sich wenig über ihn. Er gehört zu einer Kochdynastie, die sich mit Haeberlin vergleichen kann. Über vier Generationen haben die Schillingers die elsässische Gastronomie geprägt. Sein Vater war selbst hochdekorierter Chef und zugleich Präsident der Vereinigung „Maîtres Cuisiniers de France“.
„Das klare, helle Zitronengras-Dressing liefert den Nervenkitzel eines Tenors, der ein hohes C direkt auf den Nagelkopf trifft.”
Sohn Jean-Yves erhält die Ausbildung bei Gérard Boyer, arbeitet danach im Hotel Crillon in Paris bei Jean-Paul Bonin und bei Jahrhundertkoch Joël Robuchon.– Später zieht es ihn nach Amerika. In New York, befreit von allen Erwartungen, eröffnet er mit Christophe Lhopitault u.a. das OLICA nahe des Hotels Waldorf-Astoria.
Die New York Times schreibt 2002: „In einer Auswahl an Vorspeisen kann ein frischer Hummersalat, der mit hauchdünnen Krabbenfleisch-Crackern serviert wird, die höchsten Ehren erhalten. Es wird mit einem klaren, hellen Zitronengras-Dressing serviert, das den kleinen Nervenkitzel eines Tenors liefert, der ein hohes C direkt auf den Nagelkopf trifft.”
Schon damals punktet die Küche von Jean-Yves Schillinger mit den maßgeschneiderten Saucen, die er heute allerdings anders zubereitet als früher.
„Ich verwende inzwischen weder Butter noch Sahne”, sagt er, „sondern Kokosmilch.”
Nach erfolgreichen Jahren in New York kehrt er vor gut zehn Jahren nach Colmar zurück und beginnt die französische Küche zu modernisieren, kocht mit dem unbeschwertem Selbstvertrauen, das auf jahrelanger klassischer Ausbildung und internationaler Erfahrung beruht. 2016 wird er mit einem zweiten Michelin-Stern belohnt.
2021 sind Restaurant und Chef umgezogen. Das ehemalige JY’S in Colmars romantischem Quartier Little Venice nennt sich jetzt Bord d’Eau und ist ein kleiner, feiner Restaurantbetrieb, der nach wie vor die Handschrift des Meisters trägt. Das elegante 2-Sterne JY’S hat sich im neuen 5-Sterne-Hotel L’Esquisse niedergelassen.
Kurz nach 12 Uhr mittags füllt sich das Restaurant. „Wir sind ausgebucht, mittags wie abends”, sagt Kathia Schillinger, Ehefrau und charmante Gastgeberin. Zur Zeit kommen überwiegend Franzosen, aber auch viele Schweizer und Deutsche. Die Atmosphäre ist entspannt, wenngleich ein halbes Dutzend Servicemitarbeiter eilig herbeiströmt, um sich um jedes Detail an unserem Tisch zu kümmern – inklusive Wasser für Hund Snoopy. „Klar dürfen Hunde in mein Restaurant, wir haben auch einen”, sagt Jean-Yves Schillinger, der lässig mit offenem Hemd und in Jeans mit seinen Gästen plaudert.
„Viele Köche reden doch nur von Regionalität, um die Medien zu befriedigen.”
In seine Ansichten muss und will Monsieur Yves nicht die allgemeinen Trends befriedigen. Nachhaltigkeit, Regionalität, Bio und grüne Strategien sind nicht sein Thema. „Viele Köche erzählen das ohnehin nur, um die Medien zu befriedigen”, sagt er. „Ich brauche gute Qualität, beste Grundprodukte, egal woher.” Einzig beim Trend-Thema Fleischverzicht zeigt er sich nachsichtig. Ein vegetarisches Menü hat er auf der Karte. Dann sei aber auch Schluss, sagt Jean-Yves Schillinger, bei vegan verweigere er sich. Wir sind mutig, wählen das vegetarische Menu, das Jean-Yves Schillinger mit den Worten „Ist halt viel Gemüse” und einem Lächeln quittiert und das klassische Menü. Je 6 Gänge für 129 bzw.140 €.
„Se faire plaisir, pour faire plaisir à l’autre” – Es bereitet mir Vergnügen, meinen Gästen Vergnügen zu bereiten.
Der Leitspruch von Jean-Yves Schillinger und nach zwei Stunden, umsorgt von einem perfekten Servceteam und kulinarisch beglückt, verstehen wir genau, was er damit meint.
2-Sterne Restaurant JY’S
Jean-Yves Schillinger
3, Allée du Champs de Mars
68000 Colmar
Jean-yves-schillinger.com
foodhunter-Tipp:
Wie viele französischen Sterne-Restaurants bietet auch das JY’S ein günstiges 3-Gänge-Business-Menü an.