von foodhunter
Kategorie: Regional & Delikat

Vom Schweinefutter zur Delikatesse. Schwarzwurzel

Vom Schweinefutter zur Delikatesse. Schwarzwurzel

Gab früher der Bauer seinem Hausschwein in der kalten Jahreszeit Schwarzwurzel als fettes Futter und röstete die Hausfrau in schlimmen Zeiten das Gemüse kohlrabenschwarz, um es zu zermahlen und als Kaffeeersatz zu verwenden, ist es nun eine Herausforderung für Köche, die gerne alte und heimische Sorten in ihren Gerichten verwenden und somit dem globalen Regionaltrend frönen. Foodhunter-Autor Oliver Zelt hat in die Töpfe gelinst, um Schwarzwurzeln zu finden. Er wurde fündig. 

 

Autor Oliver Zelt,
Foto 123rf ©Jörg Mikus

 

Die frischgebackene Sterneköchin Maria Groß ist in Straußfurt, 25 Kilometer von Erfurt entfernt, aufgewachsen. Der Garten der Großeltern war ein Paradies. „Die hatten auch Schwarzwurzeln und wir haben sie in allen möglichen Arten gegessen“, erinnert sich die schöne Thüringerin. „Als Salat, gebraten, gegart, als Suppe.

In ihren Restaurant „Clara“, das nach der Pianistin Clara Schumann benannt ist, macht sie heute aus der Wurzel eine Kunst, hobelt sie millimeterdünne Streifen ab, zieht diese mit einer Pinzette hoch und wickelt sie zusammen wie bei einem Nudelnest. Für die Farbe drapiert Maria noch einige Karottenfäden in den Schwarzwurzelknoten. Auch mit Porree lasse sich das Gemüse „pimpern“. Oder als Püree mit Pinienkernen.

Das Sein als Schwarzwurzel teilt sich das Gemüse mit ihrem Bewusstsein als Winterspargel.

 

Tatsächlich bietet die Speisekarte des Hamburger Lokals „Stüffel“ zur „Brust & Keule von der Schönmoorer Gans“ Rotkohl, Brez’n Knödel, Bratapfeljus und Winterspargel an. „So wurde die Schwarzwurzel früher hier genannt“, sagt Ondrej Kovar, Chef im Restaurant. Der Spargel für Arme, wie die mit dem Löwenzahn verwandte Pflanze scherzhaft auch genannt wird, steigt zur Superzutat der Spitzenküche auf. Die Elite der Köche entdeckt die schlanke Wurzel als spannende Zutat.

Eckart Witzigmann erlebte in jungen Jahren wie sein Chef Schwarzwurzeln mit superteuren Perigord-Trüffeln gratinierte. Matthias Diether vom Restaurant „First Floor“ im Berliner Hotel Palace setzte Jahre später noch einen drauf und krönte seinen Cappuccino von der Schwarzwurzel mit weißen Trüffeln.

Für Berliner Spitzenköche scheint die Schwarzwurzel ohnehin gut in ihre Kreationen zu passen. Michael Kempf, gerade wieder mit zwei Michelin-Sternen dekoriert, mag sie am liebsten gebraten.

 

Dafür schnippelt er die Schwarzwurzel roh in die Pfanne und gibt, wenn sie goldgelb glänzen, ein paar Kapern, Petersilie und etwas Zitrone hinzu.

 

„Die haben dann einen tollen nussigen Geschmack“, schwärmt Kempf. „ Im „Facil“ serviert der Koch die Schwarzwurzel durchaus puristisch aber nicht profan. Dünn wie Spaghetti ziehen sie in einer Emulsion aus Hibiskusblüten, Rapsöl und einem besonderen Balsamico in einem Vakuumbeutel ordentlich durch.

Im Restaurant „kochZimmer“ in Beelitz direkt an der Berliner Strasse holte Jörg Frankenhäuser die „ersten Schwarzwurzeln aus dem Garten der Mama“. Doch als er dann mit seinem Team einen rosa gebratenen Rehrücken aus der Prignitz mit roten Zwiebeln, Petersilien-Gnocci und den Schwarzwurzeln kombinierte „sprach das Gericht meine Gäste enorm an“. Ein Erfolg für das „kochZimmer“ doch Mamas Beet war bald leer. Nun versucht Frankenhäuser das Wintergemüse wenigstens aus der Gegend zu bekommen.

 

„Wir haben das Reh auch mit Topinambur und Rote Bete probiert, uns dann aber für die Schwarzwurzel entschieden“. Frankenhäuser blanchiert sie zuerst und röstet sie dann in einer Pfanne. „Das Rösten bringt den Mehrwert“.

 

Schwarzwurzel seien immer noch etwas Besonderes, weil viele sich nicht trauen die Dinger zu schälen. Die „angeblich Sauerei“ mache aber nicht mehr Arbeit als eine „sandige Sellerie“.

Im Hinterzimmer versuchen die Beelitzer mehr aus dem Gemüse herauszuholen. Sie haben die Winterwurzel entsaftet. „Das war wirklich spannend“, sagt Frankenhäuser, „aber mit relativ wenig Ertrag“. Trotzdem, es „schmeckte super, sehr süß aber eben nicht mehr gleich nach Schwarzwurzel.“ Deshalb testen die Köche diese Variante weiter. Man könne daraus ein Eis machen oder ein Gelee.

 

Noch bis zum April dauert die Schwarzwurzelsaison. Die, die sich auskennen, raten ab, das Gemüse abgepackt in einem Folienbeutel zu kaufen. Das sei oft überlagert.

 

Nicht nur die Schale sondern auch eine kleine Sandschicht schütze die Wurzeln vor dem schnellen Austrocknen. Neben Kalium, Eisen, Folsäure und verschiedenen Vitaminen findet sich in der Schwarzwurzel tatsächlich Asparagin, eine Aminosäure, die auch dem Spargel seinen lateinischen Namen gab.

Maria Groß ist in ihrem Restaurant „Clara“ bester Laune. Für einen vegetarischen Wintergarten braucht sie nicht mehr als drei Aromen. Zu Scheiben und Streifen von Schwarzwurzeln drapiert sie Stückchen und Splitter von Macadamianüssen. „Die bringen Milde und gleichzeitig Fett mit herein“. Ihr Spiel mit den Konsistenzen vollendet die Köchin mit getrockneten Schwarzwurzelschalen und ein paar Spritzer Macadamiaöl. Dann bilden Sein und Bewusstsein auf dem Teller eine harmonische Einheit.

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