von foodhunter
Kategorie: Regional & Delikat

Würzburger Artischocken. Eine bayerische Distelpflanze macht Furore

Würzburger Artischocken. Eine bayerische Distelpflanze macht Furore
Artischocke

Um halb fünf klingelt bei den Müllers der Wecker. Wenig später stehen die beiden Würzburger in ihrem Artischockenfeld und schneiden die knackigen Knospen ab. Jede einzelne feinsäuberlich mit einem scharfen Messer. Zur besten Erntezeit freuen sich die beiden Freizeitbauern über 250 gepflückten Artischocken in der aufgehenden Morgensonne. Noch taufrisch lädt Gaby Müller die eben geernteten Artischocken in den Familientransporter und fährt sie aus dem südlichen Stadtteil Heidingsfeld auf den grünen Wochenmarkt ins Zentrum nach Würzburg. 

 

Autor Oliver Zelt, Fotos ©foodhunter

 

„Die meisten an meinem Stand staunen, dass ich Gemüse aus Franken anbiete und nicht aus Frankreich“, schmunzelt Gaby Müller, die mit ihrem Mann Gerhard auf zwei Hektar bestem bayerischem Boden die Distelpflanzen züchtet, die eigentlich im Süden Europas ihre Heimat haben.

Wenn es eine Woche kälter als fünf Grad minus ist, erfrieren die Artischockenpflanzen

 

Das stachelige Gewächs ist eine mehrjährige Pflanze, die in Deutschland jedoch nur in warmen Wintern überlebt. Im letzten Jahr „haben wir das erste mal ein Feld über den Winter bekommen“ freut sich Gaby Müller jetzt noch. „Dann können wir schon Anfang Juni ernten. Die Müllers haben es in der Vergangenheit immer wieder mit den üblichen Tricks versucht. Abdecken mit Vlies, anhäufeln mit Erde oder schützen mit Stroh, aber „wenn es eine Woche kälter als fünf Grad minus ist, erfrieren die Artischockenpflanzen.” So bleibt ihnen meist nichts anderes übrig als so zeitig es geht aus den Samen kleine Pflänzchen zu ziehen und diese im März und April ins Freie zu setzen.

 

 

Wenn es zu warm ist, werden die Artischockenpflanzen holzig

 

Voraussichtlich bis Anfang Oktober können die Müllers die Früchte ihrer etwa 20.000 Pflanzen ernten. Jetzt ist das Wetter fast ideal. Wenn andere über den verkorksten Sommer maulen, freuen sich die Würzburger über Regen und schwächelnden Temperaturen. In Italien, Frankreich und Spanien sind Artischocken Wintergemüse, „wenn es zu warm ist, werden die holzig.“ Am Tag reichen nicht gerade hochsommerliche 20, nachts zwölf bis vierzehn Grad.

Die nährstoffreichen und tiefgründigen Böden auf der Scholle lassen die im 15. Jahrhundert aus Sizilien nordwärts gewanderte Pflanze prächtig gedeihen. Drei bis vier Knospen recken sich an jedem grünen Strunk auch Dank hervorragendem Kompost. Auf den Würzburger Feldern wachsen die Sorten „Madrigal“, ein bis zu 1.80 Meter hohes Gewächs mit großen Köpfen und dickfleischigen Blättern. Bestens geeignet um das Laub, an dessen breitem Ende eine Miniportion aromatisches Fruchtfleisch sitzt, in eine Vinaigrette zu dippen und den kleinen Happen Artischocke auszulutschen. „Green Globe“, eine etwas kleinere Sorte gedeiht nebenan, ihre Knospen sind nicht weniger köstlich.

 

„Ich beiße einfach rein, wie in einen Apfel“

 

Gaby Müller steht auf die kleineren, länglichen Violetten. Die haben, anders als „Madrigal“ oder „Green Globe“, kein Heu im delikaten Boden und müssen auch nicht mühsam von den strohigen Fäden befreit werden. Wenn die Bäuerin auf ihrem Feld steht, genießt sie gelegentlich ihren eigenen Frischevorteil. „Ich beiße einfach rein, wie in einen Apfel“. Die kleinen, fast purpurnen Köpfe der Sorte „Opera“ schmecken „herrlich nussig und leicht bitter“.

Gaby und Gerhard Müller, 97084 Würzburg, Tel.: 0931-63692Der „Grüne Markt“ auf dem Würzburger Marktplatz. Dienstag, Mittwoch, Freitag und Samstag ab 7 Uhr

 

Gute Köche setzen auf regionale Qualität

Diese Nuancen hat auch Michael Philipp auf der Zunge. Der Sternekoch aus Sommerhausen fand die Artischocken im letzten Herbst am Stand von Gaby Müller. Seitdem reicht er sie gebraten zu Fischgerichten wie der Bretonischen Rotbarbe & Calamaretti zusammen mit Paprika und Pimentón de la Vera oder roh mariniert als Vorspeise. Oft bekäme man nur Früchte mit kleinem Boden und vielen Blättern, aber die von den Müllers sind „wirklich toll“. Dazu noch nebenan, wo der Gourmetkoch doch „stets auf der Suche nach guten regionalen Produkten“ ist. Perfekt, denn das Feld der Müllers liegt gerade zehn Kilometer von Philipps Restaurantküche entfernt.

Restaurant Philipp, Hauptstraße 12, 97286 Sommerhausen, Tel: 09333-1406. www.restaurant-philipp.de

 

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