von foodhunter
Kategorie: Regional & Delikat

Gutes Fleisch – lebend gereift statt dry aged

Gutes Fleisch - lebend gereift statt dry aged
Dry aged Entrecote on Carbonized Wooden Board

Gutes Fleisch von mehr als zehn Jahre alten Tieren. Lebens gereift statt dry aged. Skepsis bei Verbrauchern, Neugierde bei Gourmets, Begeisterung bei Köchen. 

 

Autor Oliver Zelt, Foto oben ©fotolia, HLPhoto

 

In seinem Restaurant Die Insel  bietet Benjamin Meusel das Entrecôte einer 18-jährigen Kuh an. „Ich weiß, Gäste müssen schon sehr neugierig sein, um das zu bestellen“, lacht der Hannoveraner Koch. Das besondere Stück Fleisch ist etwas „für Kenner und echte Gourmets“.

„Ich bin begeistert von diesem unglaublichen Geschmack“, sagt Meusel, um gleich hinzuzusetzen, der sei „intensiv und biete Spitzen“. Die Küchensprache vermeidet elegant strenge Wörter. Der Koch schüttelt denn auch sofort den Kopf. „Nein, zäh sei das Rindfleisch nicht“. Es habe „Biss“.

Lebenserfahrene Kühe auf der Speisekarte. Ist das der nächste Spleen einer überkandidelten Gourmetszene? Oder kündigen die langgezogenen „Ahs“ und „Ohs“ der Küchengötter einen Knaller an? Dirk Ludwig war zuerst skeptisch. Ludwig ist einer der bekanntesten Metzger in Deutschland und bot schon trockengereiftes Fleisch an, als hierzulande noch niemand darüber diskutierte. Als der Hesse dann probierte war er überrascht, dass „ein Tier mit vielen Lebensjahren so gut schmecken kann“.

“Uns Deutschen fehlt die Kultur für gereifte Kühe“, weiß Ludwig. Alte Tiere, zudem fett will niemand. „Wir verstehen nicht, dass das Spitzenqualität sein kann“. Andererseits soll alles heute schön fett und dry aged sein.

 

Metzger Ludwig hat deshalb jetzt seine Kulturbotschaft: Lebend gereiftes und mit Fett durchzogenes Fleisch ist toll. Doch seine Mission ist schwer.

 

Es gibt nicht viele Kühe, die mehrmals ein Kalb zur Welt gebracht haben, zwischen acht und 18 Jahre sind und noch auf einer saftigen Weide grasen dürfen. Und nicht jede betagte Kuh eignet sich für den Genuss auf dem Teller. Es gilt mit Kennerblick die richtigen Tiere zu finden. Deshalb hat Ludwig Rumpsteak, Rib-Eye und T-Bone von der älteren Kuh, die bei ihm liebevoll „Grand Mu“ heißt, nicht immer im Angebot.

Foto ©foodhunter

 

Das Fleisch sei „tiefrot und das Fett bildet einen feinen Film, der sofort schmilzt und sehr gut nach Milch und Heu duftet, wenn man darüberstreicht.” Jeder könne „schmecken, die Tiere haben viele Kräuter gefressen und sich frei möglichst auf Hochlandweiden bewegt.“

 

Auch wenn es keine Favoriten-Rasse gibt, Ludwig besorgt sich Simmentaler Rinder.Weil das Fleisch grobfaseriger als das der jüngeren Verwandten ist, hängen in gläsernen Schränken die Rinder-Rücken zum Trockenreifen.

 

Angefangen hat der Hype um die betagten Kühe in Spanien. „Wir Basken haben immer schon fette und alte Kühe gegessen“, sagt Imanol Jaca, Chef der Fleischmanufaktur Txogitxu aus San Sebastian, die die Gastro-Szene in fast ganz Europa beliefern.

 

Dominic Jeske bietet in seinem Kölner Restaurant „La societe“ „Alte Kuh – Txogitxu, Entrecôte saigant mit feinen Böhnchen und roten Zwiebeln“ an. Auch Jeske beherrscht das geschmeidige Küchenlatein, wenn er vom „charaktervollen Rindfleisch“ spricht. Wenn er über den Fettrand streiche „rieche ich einen Hauch Sahne, das sind eben Milchkühe“.. Der Kölner Koch gart das Entrecôte bei niedriger Flamme, damit es ganz langsam von außen nach innen durchzieht. Die alte Kuh brauche „in der Mitte einen rohen Anteil“ und „das tiefe Vertrauen der Gäste“. Eigentlich garen immer nur die edlen Teile in der Pfanne oder im Herd. Jeske aber hat auch schon einen Ochsenschwanz gemacht. „Der war geschmacklich der Hammer“.

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