von foodhunter
Kategorie: Reise

Paladares: Private Dining in Havanna

Paladares: Private Dining in Havanna

Wenn ein Kubaner seine heimatliche Küche beschreibt, braucht er dafür nur ein Wort: ajiaco. Darin steckt die Essenz der kubanischen Küche, das kreative Vermischen verschiedener Esskulturen. Die ursprüngliche „Coabana“, die spanischen Einflüsse mit arabischen Noten, übernommene Gewohnheiten afrikanischer Regionen und eine Prise chinesischer Tradition. Dies alles wird kreolisch originell zusammengeführt – in den Paladres, den Wohnzimmer-Restaurants

Autor Dr. Klaus Leciejewski
Foto oben iStock © ArtMarie

 

In den 40er und 50er Jahren gab es überall „Fondas“, keine raffinierten Restaurants, aber für wenig Geld gab es Gutes. Manchmal, wie in O´Reilly, gab es so viele Fondas in einer Straße, dass die Besitzer um die beste gelungene heimliche Soße im Viertel kämpften. Dann folgte die Verstaatlichung. Restaurants schlossen, denn es gab keine Produkte.

Seit fünfzig Jahren wachsen die Kubaner unter Rationierung der Nahrungsmittel auf, haben seit Generationen nichts anderes auf dem Tisch als Reis, Bohnen, Erbsen, wässrige Suppen, Gemüse, gelegentlich ein Ei oder einen Brocken Schweinefleisch.

Doch der Touristenboom zwang die Regierung, ihre Einstellung zur Privatinitiative zu verändern: vor zwanzig Jahren wurden erstmals private Restaurants, so genannte Paladares, zugelassen und eine zentrale Kochschule in Havanna eingerichtet. Damit begann die zaghafte Wiederbelebung der kubanischen Kochkultur.

 

Havanna Paladres

 

La Guarida 

Einer ihrer ersten Protagonisten war und ist das Paladar „La Guarida“ (www.laguarida.com). Es residiert im zweiten Stock eines halbverfallenen Hauses in einer Straße ähnlichen Zustandes. Insofern ist sein Name, übersetzt „Versteck oder Höhle“, treffend gewählt. Nachdem die Schöpfer des Films „Erdbeeren und Schokolade“ den morbiden Charme dieses Hauses weltweit bekannt gemacht hatten, wurde auch „La Guarida“ zum bevorzugten Ziel ausländischer Besucher. Erstmals seit der Revolution gab es innovative Gerichte auf einer umfangreichen Menükarte. Bis heute ist es ein beliebter Treffpunkt von Touristen und der neuen kubanischen Jeunesse Doreé. Die Karte ist seit zehn Jahren weitgehend unverändert, nur ein neues Gericht lässt die alte Kreativität aufblitzen. Die „Lasagne von Papaya und Meeresfrüchten mit Zitrus-Kompott“ könnte als Eigenkreation auch auf der Karte westlicher Nobelrestaurants stehen.

 

La Cocina de Lilliam

Das ähnlich erfolgreiche Paladar „La Cocina de Lilliam“ setzt auf ein anderes Konzept. Inmitten einer subtropischen Gartenidylle werden kubanische Gerichte in ordentlicher Qualität zu einem relativ hohen Preis angeboten.Aber die Exotik der Pflanzen und Live-Gitarrenmusik bieten ein reizvolles Ambiente. Letztlich gehen alle kulinarischen Innovationen stets von Paladares aus, in denen die Besitzer nicht nur Geldgeber sind, sondern Interesse an einem höheren Standard haben oder selber Köche sind.

 La Casa

Ersteres trifft auf das „La Casa“ (www.restaurantelacasacuba.com) unter der Führung des 40-jährigen Alejandro Robainas zu. Das Paladar ist im Wohnzimmer einer kleinen Villa, die Küche eine normale Wohnküche, trotzdem können 40 Gäste bedient werden. Sein Reiz besteht im Engagement der gesamten Familie, denn von der 91-jährigen Großmutter über die 72-jährigen Eltern bis hin zum quirligen, fast wie ein Pop-Star auftretenden Alejandro umsorgen alle den Gast. Sodann steht mit dem Koch Michele ein echter Könner am Herd. Hier  kann der Gast erleben, wie ein mild schmeckender Kaninchenrücken, in dem alle Fleischteile noch eine saftige Konsistenz haben, zusammen mit getrockneten Früchten und kubanischem Bauernhonig, zu einem formidablen Fleischgerichtmit leicht süßlichen Tropenaromen wird. Eines seiner Gerichte hat sich inzwischen sogar über ganz Havanna verbreitet: Kleine Kochbananen werden in einem Sud angekocht, ausgehöhlt, unterschiedlich mit Fleisch- oder Fisch- oder Gemüsecreme gefüllt und noch einmal leicht gebräunt. Tostones Rellenos, unbedingt kosten!

 

Havanna Paladres

 

Doña Eutimia, San Cristobal und ein Hamburgerlokal

In einer Seitenstraße von Havannas altem Zentrum hat kürzlich das kleine Paladar „Doña Eutimia“ (Callejón del Chorro No 60c, Plaza de la Catedral) eröffnet. Direkt neben ihm liegt ein großes offenes Atelier verschiedener Künstler. Davon profitiert das Restaurant nicht nur bei seinen Gästen, sondern auch in der künstlerischen Gestaltung seiner Speisekarte, die auf handwerklich hergestelltem Papier gedruckt ist und auf der sich urkubanisches Essen wiederfindet. U.a. Schweinefleisch in Knoblauchsoße,das zusammen mit Reis und schwarzen Bohnen sowie kleinen Süßbananen und einem Spiegelei kommt, aber in einer weitaus feineren Qualität als von zu Haus bekannt.

Im „San Cristobal“ (Calle San Rafael No 469) hat sich Carlos Cristobal verwirklicht, vorher Chef der kubanischen Kochschule. In einer einstmals belebten Geschäftsstraße Havannas, hat er die verfallene Villa eines früheren Lottomonopolisten in Stand gesetzt und die Wohnräume zu Restaurantzimmern umgestaltet. Es gibt in ihnen keine Ecke, die nicht mit Sammlerstücken eng bedeckt wäre. Der Unterschied zur Qualität der Gerichte könnte kaum größer sein, denn diese setzen heute die Standards in Havanna. Kubanische Gerichte mit internationalen Namen wie „Pollo Napoleon“ oder „Gran Langosta Hemmingway“, Traditionelles wie zart frittierte Malanga oder Buñelos (süßes Gebäck), perfekt ausgewogene Kürbis- oder Hühnersuppe und frische Langostinos kurz angegart auf Eis mit drei separat servierten Soßen, das alles ist zwar (noch!) keine internationale Gourmetkunst aber durchaus auf dem Niveau eines besseren deutschen Restaurants.

 

Das beliebteste Paladar der letzten Monate ist  „La Pachanga“ (Calle 28, No. 254) von Sergio Rafael, das erste echte private Hamburgerlokal, auch dies in seinem eigenen Wohnhaus.  Dabei hat der Chef nie einen amerikanischen Fast-Food-Laden betreten. Da er stets frische und schmackhafte Hamburger anbietet, ohne die in der kubanischen Mangelwirtschaft völlig unbekannten Geschmacksverstärker und die Preise auf kubanische Pesos lauten, wurde sein Laden binnen weniger Wochen in ganz Havanna bekannt.

Das „El Carruaje“ (Calle 200, No. 2104, Siboney, Playa) würde mit seiner Lage in einem Villenvorort Havannas und mit seiner gehobenen Ausstattung auch in Deutschland zur obersten Kategorie gehören, hätte er nur einen Spitzenkoch. So ist es auf jeden Fall eine Attraktion in Sachen Ambiente und Atmosphäre.

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