Aal, Schnecke, Sauerkraut. L’Expression nennt Olivier Nasti das Menü, in dem u.a. diese Komponenten eine gewichtige Rolle spielen.
Autorin Sabine Ruhland,
Fotos © foodhunter
Sie sind passé, die Zeiten, in denen Sterne-Restaurants ihre Expertise überwiegend darauf begründen, exzellente Qualitäten aus aller Herren Länder auf die Teller zu bringen.
Stör-Kaviar, Blauflossen-Thunfisch, Rochen-Flügel oder Bretonischer Hummer sind abgelöst. Heute zieren heimisches Wild, Forellen aus dem naheliegenden See, Geflügel vom örtlichen Biohof oder Früchte aus den umliegenden Wäldern die Luxus-Speisekarten.
Regionale Bodenständigkeit rückt die kreative Kochkunst in den Fokus und macht Sterneessen wieder richtig interessant.
Wir sind zu Gast im Le Chambard in Kaysersberg, Elsass. Dieses Mal nicht in der Winstub, sondern im 2-Sterne-Restaurant „La Table d’Olivier Nasti”.
Ein runder Geburtstag ist der Anlass, leider einer, der dem Geburtstagskind ein kostenloses Abo der Apotheker-Umschau beschert und eine Vielzahl an Senioren-Rabatten.
Ein derartiger „Jubeltag” schreit förmlich nach Highlights der kulinarischen Extraklasse! Die kommen. Unaufgeregt. Aber mit einem Geschmacksvolumen, das unsere Gaumen mit Erotik stopft.
Die Schnecke kugelt sich vor Glück – das Elsass wandelt auf neuen Wegen
Knackig grün die Petersilienkugel, die nach dem Biss ein lauwarmes Inneres offenbart: „das typische Schneckenpfännchen” völlig neu zusammengesetzt. Nur einer von fünf Elsässer Happen, die den Abend bravourös einleiten.
Das Reh mit Frucht, das Felchen mit Zitronenpuder oder die Pilzcreme mit schwarzer Trüffel sind weitere kulinarische Sinnlichkeiten.
Getoppt von einem Flammkuchen, der wieder in ungewohnter Textur erscheint. Statt röschem Boden, rösche Teigstäbchen und der Belag in einem Schälchen kokett versteckt. Tief hinein mit dem Löffel, Augen zu. So geht Flammkuchen de luxe.
Bloß kein Aal grün
Vergessen Sie das deutsche Gericht aus gekochtem Aal mit heller Kräutersauce, plump und schwer. Elegant und schlank, fein abgestimmt mit einer Farce aus Estragon, Kerbel und Lauch, komplettiert mit Gel Orange darf „Aal grün”, leicht geräuchert, bei Olivier Nasti in eine ungewohnte Rolle schlüpfen und aalt sich in den Ahs und Ohs der Gäste.
Die perfekte Weinempfehlung: der auf 600 Flaschen limitierte „Kastelweg Sylvaner” vom Weingut Soil Therapy.
Ein Chambard-Klassiker seit 10 Jahren – der Saibling im Bienenwachs
Bienenwachs auf 75 ° C erhitzen und den Saibling damit übergießen. Im „La Table d’Olivier Nasti” passiert das am Tisch vor den Augen der Gäste.
7 Minuten darf das Fischlein ruhen, dann wird es in die Küche entführt. Sehr schade. Zu gerne hätten wir den Enthüllung beigewohnt.
Der Saibling kommt stattdessen gut drapiert, mit kleinem weißen Rettich, Mandelpüree und Brunoise vom grünen Apfel, Honigvinaigrette und Fichtenwipfel-Öl. Alles auf den Punkt, aber die ganz große Euphorie wollte sich bei dieser Komposition nicht einstellen.
Sauerkraut verliebt sich in Lardo di Colonnata
Im Grunde reden wir von Sauerkraut mit Speck, einer deftigen Elsässer Spezialität. Wäre nicht der Speck ein Lardo di Colonnata, ein schierer weißer Speck, der Gourmets in Ekstase versetzt.
Mit einer Vielzahl an Gewürzen und Meersalz reift der Lardo di Colonnata in Wannen aus Carrara-Marmor. Ein Prozess, der 10 Monate dauert und in tiefen Felsenkellern vollzogen wird. Ist er reif, zergeht er schmelzend auf der Zunge, vor allem, wenn er hauchdünn geschnitten wird.
Bei Olivier Nasti dient der „Lardo di Colonnata” als kaum sichtbarer Mantel für ein Sauerkraut-Türmchen und verleiht dem kernigen Kraut ein extravagantes Aroma.
Der Abend hat uns geflasht, jedes Gericht liegt uns auf der Zunge, keines war überzeichnet oder anstrengend. Olivier Nasti beflügelt kulinarisch, stimuliert mit raffinierter Leichtigkeit Sinne und Gaumen.
Le Chambard
Hôtel Restaurant
„La Table d’Olivier Nasti”
Öffnungszeiten:
Do-So 12-13 Uhr und ab 19 Uhr
Mi ab 19 Uhr
9-13 rue du Général de Gaulle
68240 KAYSERSBERG
Foodhunter-Tipp für Kaysersberg:
Tea Time in der Marius Bar – 15-18 Uhr
Von der Rezeption des Le Chambard führen nur wenige Treppenstufen nach unten. Die Marius Bar befindet sich im Gewölbekeller, der an ein englisches Herrenhaus erinnert.
Ein reich bestückte Bar – vor allem mit verschiedenen Gin-Sorten – schwere Ledersessel, Bücherwände und die obligatorischen Jagdtrophäen. Hotelgäste dürfen spontan zur Tea Time kommen, alle anderen müssen reservieren.
Dabei gibt es wahlweise die beeindruckende „Geweih-Etagere” mit Kaffee, Sekt oder feinem Crémant für 60, 70, 75 € p.P.). Dazu die Pretiosen von Chef Pâtissier Jordan Gasco – kleine Kunstwerke, die in einer Vitrine die gebührende Präsentation erfahren.