Vegetarische Küche ist die größte Herausforderung für einen Koch, denn er muss den Charakter von Gemüse, Getreide, Körnern, Früchten und Kräutern herausarbeiten, Komponenten neu arrangieren und letztlich vergessen lassen, bei einem „Vegetarier“ zu speisen. Das Tian ist Münchens neue fleischlose Versuchung, Ableger eines großen Namens, gilt doch das Tian in Wien als ultimativer, vegetarischer Hotspot.
Autor Sabine Ruhland, ©Fotos foodhunter
Es ist ein warmer Oktoberabend, das Tian nutzt die Gelegenheit, die bodentiefen Panoramafenster mit Blick auf den Viktualienmarkt beiseite zu schieben. Verlockend werfen gigantische Lüster, Kristall und Kerzen ihren Schein in die Nacht. Gedeckte Töne, wohlige Sessel, offene Küche, für Sommertage eine Terrasse im Innenhof, nebenan die Hotelbar des zugehörigen Derag Hotels in verspiegeltem Schwarz.
Auf das optische Schmankerl folgt der Charme des Service-Teams, der auch vergessen lässt, dass wir 10 Minuten auf den Aperitif warten müssen und der Gin Fizz leider nichts anderes beschert als den Geschmack von Zuckerwasser.
Die Speisekarte zeigt sich in gehobenem Design. Wie in der Sterneküche beschränkt sich das Tian auf das Nennen der Grundzutaten: „Rotkohl – braune Butter – Petersilie – Haselnuss“ oder „Kräuterei – Blumenkohl – schwarzer Trüffel“. Was letztlich auf den Teller kommt, bleibt eine Überraschung.
Die Abendkarte offeriert zwei Menüs, 4-6 Gänge, die allerdings keine statische to-do-Liste darstellen. Der Gast darf sich frei bewegen, kombinieren oder 1-2 Gänge à la carte wählen.
Unsere Vorspeisen sind pochiertes Ei mit Parmesan-Kräuter-Kruste und Alba-Trüffel, (pro Gramm 9 Euro, was das Ei schnell zum 30 Euro Gericht werden lässt.) Des Weiteren „Rote & Gelbe Bete / weiße Zwiebel / Sake“ und die Variante „Ziegenkäse / Gurke / Ingwer / Mandel“. Das Gemüse auf dem Punkt, angerichtet wie wir es aus der Haute Cuisine kennen, aber die Euphorie bezüglich Geschmacksraffinesse bleibt aus. Sehr artig offenbaren Ziegenkäse und Gemüse ihren Geschmack und das Trüffelei, nun, das lebt vom unübertroffenen Trüffelgeschmack.
Bei den Hauptgerichten genießen wir einen guten Flammkuchen, der auf Wunsch ebenfalls mit Trüffelscheiben bedeckt wird. Trüffel wollten wir zugunsten unseres Portemonnaies jedoch nicht noch einmal bemühen. Der Steinpilzrisotto, klassisch zubereitet mit getrockneten Steinpilzen besitzt leider die Festigkeit eines Tatars. Risotto mit getrockneten Steinpilzen zu machen ist nichts Ungewöhnliches, doch zur absoluten Pilze-Hauptsaison erwarten wir mehr Kreativität und mehr „Wumms“. Die integrierten Oliven und der Rucola zaubern diesen nicht.
Interessant hingegen „Steckrübe / Estragon / Romanesco“. Allerdings wurde die geneigte Genießerin davon nicht wirklich satt. Der süße Schluss „Felchlin Arriba 72% / Passionsfrucht / Kokos“ – gerne beim nächsten Mal wieder, hervorragend.
Das Tian München hat Stil und der Service weiß, was er den Gästen schuldig ist – unser beanstandetes Steinpilzrisotto landet nicht auf der Rechnung. Selten – vor allem in München – dass Kritik so selbstverständlich zugunsten des Gastes umgesetzt wird.
Wie sich das Restaurant entwickeln wird, bleibt die spannende Frage, denn die Philosophie von Christian Halper, Eigentümer des TIAN: „Es gibt Dinge, die uns gut tun, und unser Leben um ein ‚Wow‘ bereichern“ hat sich in München noch nicht bis zur letzten Konsequenz durchgesetzt.
Frauenstraße 4, 80469 München
Öffnungszeiten:
Montag 18-24 Uhr, Di-Sa 12-24 Uhr. Sonntag und feiertags geschlossen.
www.taste-tian.com/restaurant/de/muenchen/