von foodhunter

Tour d’Argent: wertvollster Weinkeller der Welt

Tour d'Argent: wertvollster Weinkeller der Welt
Tour d'Argent, Ridgway

Vom Volk beim Sturm auf die Bastille geplündert. Vor den Nazis gerettet. Von einem Milliardär beraubt. Dass der Weinkeller des Pariser Restaurants Tour d’Argent, in dem über 450.000 Flaschen erlesener, französischer Weine und Champagner lagern, heute nur nach Anmeldung besucht und durch eine elektronisch gesicherte Stahltür betreten werden kann, hat mehr als einen guten Grund.



Autor Sabine Ruhland, Dirk Vangerow, Fotos @Foodhunter  

 

Tour d’Argent in Paris – kaum ein Restaurant kann auf eine längere Geschichte zuürckblicken. In diesen heiligen Hallen gaben sich Könige und Maitressen ein Stelldichein, waren alle Polit- und Showgrößen zu Gast und ist bis heute die Blutente fester Bestandteil der Speisekarte. Doch deswegen sind wir nicht hier. Es ist der Weinkeller, dem unsere Aufmerksamkeit gebührt. Tief unter der Seine, verborgen hinter meterdicken Mauern, deren Entstehung irgendwo zwischen dem 15. und 16 Jahrhundert liegt, mit einer Größe von 1.300 qm und bestückt mit Weinen, die heute rund 50 Millionen Euro Wert sind.

Durch eine elektronisch gesicherte Stahltür betreten wir das Allerheiligste. Es ist schummrig, der Wein mag kein Licht, also arbeiten auch die Cellermen, die den Sommeliers die Weine ins Restaurant bringen, nur mit einer Kopflampe. Dennoch können wir erkennen, welche Wonnen sich vor uns ausbreiten. Da ist ein Château-Citran von 1858, ein Château Siran aus dem Jahre 1865 – jenem Jahrgang, der von Kennern als „fantastisch“ eingestuft wird – oder ein Château Gruaud-Larose, abgefüllt 1870, dem besten Jahr für die Medoc-Winzer. Auch der Stammvater der weißen Bordeaux-Weine ist vertreten, der Château D’Yquem von 1871, dem Jahr, als Himmel und Götter die Sauternes zum Leben erweckten.

Die gleiche, unfassbare Auswahl bei den Burgunder-Weinen: ein Chambertin aus dem Jahr 1865, daneben ein Clos-Vougeaut von 1870, Edles wie der Romanée Saint-Vivant, ein Château de Rayne-Vigneau 1874, Château Guiraud 1893, Chambertin-Clos-de-Bèze 1865, Château du Clos de Vougeot 1870, Romanée-Conti 1874, Château Margaux, Château Latour, Château Lafite-Rothschild, Château Haut-Brion. Fast beiläufig sei erwähnt, dass alle Mouton Rothschild-Jahrgänge seit 1920 vorhanden sind, ebenso die legendären Château Margaux, Château Petrus, Château Lynch-Brges, Pommards oder Haut-Medoc.

 

Ein Keller, der zu allen Zeiten Begehrlichkeit weckte

 

Ein Keller, der zu allen Zeiten Begehrlichkeit weckte, das bestätigt uns auch Head-Sommelier David Ridgway (Foto oben), der uns durch die Katakomben begleitet und seit fast 35 Jahren im Tour d’Argent arbeitet.

So entschwand, erzählt er uns, vor rund 25 Jahren eine Viereinhalb-Liter Flasche Jeroboam Fine Napoléon aus dem Jahre 1805, weil sich Restaurantbesitzer André Terrail sen. partout nicht bereit erklären wollte, eine dieser beiden weltweit letzten Flaschen zu verkaufen. Auch nicht für eine unglaubliche Summe. Gestohlen wurde sie schließlich im Auftrag eines Milliardärs, der nach dem Diebstahl einen Blanko-Scheck hinterlegen ließ. „Somit sind wie der einzige Platz auf der Welt, an dem ein Milliardär einen Raub begangen hat“, lächelt David Ridgway. Der Scheck wurde übrigens an den Gast zurückgeschickt, in der Hoffnung, die Flasche dadurch wieder zu bekommen. Doch sie blieb verschwunden.“

Dieser Angriff war keinesfalls der einzige. So stürmte das Volk am 14. Juli 1789 nicht nur die Bastille, sondern auch diesen Weinkeller. „Die soffen die edlen Tropfen, denn keiner ahnte, was er da auf der Straße aus der Flasche trank.“. Ähnliches im Sinn, wenngleich sie vielleicht mehr Genussfreude an den Tag gelegt hätten, hatten die Nazis im zweiten Weltkrieg. Doch dieses Mal waren die Franzosen besser vorbereitet. Restaurantbesitzer Claude Terrail ließ die wertvollsten Tropfen kurzerhand einmauern und nur ein vertretbarer Rest blieb für die Eroberer offensichtlich.

Auch für viel Geld ist nicht jeder Wein jederzeit zu bekommen

 

Bis zu 25.000 Euro kosten Raritäten in der 400 Seiten umfassenden Weinbibel, doch nicht jeder Kunde kann zu jeder Zeit alles bekommen. So erhielt Claude Terrail auf seine Frage, ob man nicht für einen bestimmten Gast den 1983er Porets-St-Georges öffnen könne, von David Ridgway vor einigen Jahren folgende Antwort: „Geduld, es ist ein Wein von hoher Qualität und viel Charakter, seine Zeit wird kommen. Vielleicht in 10, vielleicht in 20 Jahren werde ich bereit sein, diesen Wein zu öffnen.“ Der Wein blieb dem hochdekorierten VIP an besagtem Abend verwehrt.

Es ist die tiefe Bewunderung für Wein, die Sommeliers und Gäste im Tour d’Argent für einen Abend zu Verbündeten macht. Dass in diesem Haus für Geld nicht alles zu haben ist, mag den Reiz weiter verstärken. Die Entscheidungshoheit liegt nach wie vor bei David Ridgway, über den die Familie Terrail respektvoll sagt: „Er ist ein begnadeter Sommelier und ein Oberkurator von diesem lebenden Museum, ein eifersüchtiger Hüter dieser Schätze, welche er Ihnen dennoch zu Ihrem Vergnügen servieren wird – vorausgesetzt er hält Sie für würdig – an einem solchen Tag und zu einer solchen Zeit.“

 

Tour d’Argent, 15 Quai de la Tournelle  75005 Paris. www.latourdargent.com  

 

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