von foodhunter
Kategorie: Weine & Destillate

Foodhunters Kostprobe: Chateau Ste. Michelle

Foodhunters Kostprobe: Chateau Ste. Michelle

Weine aus Übersee, in unseren Köpfen sind das Weine aus Kalifornien, vollreife Schwere aus dem Barrique. Längst haben wir uns abgewandt von diesen einst hochgelobten Tropfen, bevorzugen frische Rieslinge aus der Pfalz, Silvaner aus Franken … Dann treffen wir den Weinexperten Sander Vriend. «Wie wäre es mit Weinen aus Washington State? Lassen Sie uns Chateau Ste. Michelle verkosten!»

 

Autor Sabine Ruhland, Dirk Vangerow, Fotos ©foodhunter

 

1989 gab es 13 Weingüter in Washington State, heute sind es 800. Es ist das zweitgrößte Weinanbaugebiet nach Kalifornien, doch kaum jemand weiß das in Europa. Die USA haben Nachholbedarf, denn nach Gallo und den massenhaft gefertigten Supermarktweinen schien der Weinweg der USA Weine festzustehen.

Wir beginnen mit einem Chateau St. Michelle Chardonnay 2013. Tiefe Goldtöne, 13,5 % Alkohol, was unsere Erwartung optisch an marmeladige Opulenz durchaus anheizt. Doch die Winzer haben dazugelernt und wir kosten wunderbaren, unkomplizierten Wein. Chateau Ste. Michelle hat zudem das Wine Science Center (WSU) gegründet.

Weine aus Washington State werden das Image der USA-Weine deutlich verändern. 

Gleichwohl der Wein in Eichenholzfässern ausgebaut wird und nach der Gärung weitere sieben Monate im Fass bleibt, überrascht der Chardonnay Nase und Gaumen mit erfrischenden Aromen von Äpfeln, Birnen und der leichten, erfrischenden Säure von Limone.

«Das Columbia Valley in Washington State, im pazifischen Nordwesten der Vereinigten Staaten, hat während der Hauptwachstumszeit etwa zwei Stunden mehr Sonnenlicht als Kalifornien, was die Fruchtreife der Trauben der Region steigert, denn Tageslicht bewirkt die wichtige Photosynthese für den Zucker und somit den Aromenaufbau in den Trauben», erklärt Sander Vriend.

 

Louis Cuisine Muenchen
Ort unserer Weinprobe: das feine Restaurant Louis Cuisine im Münchner Stadtteil Lehel.
Chateau Ste. Michelle
Der Chateau Ste. Michelle Chardonnay 2013 kostet je nach Anbieter 11,70 – 13 Euro und passt gut zu Schalentieren oder asiatischen Gerichten. – Allerdings auch, wie erfreulich, zur hausgemachten Gänseleber von Louis Cuisine.

 

Eroica: Der meistgetrunkene nichteuropäische Riesling in Deutschland

Das kommt nicht von ungefähr, ist der Eroica doch in  Zusammenarbeit mit Ernst Loosen von der Mosel entstanden, seit Anfang der 90er Jahre Shooting-Star der deutschen Riesling-Erzeuger. Klar, dass dieser Wein durch wunderschöne Aromen besticht: reife Pfirsiche, Mandarine und Aprikosen, etwas Limette, feine Mineralität, filigranes Säurespiel. Von 1999-2003 fand jeder  Jahrgang seinen Weg ins Ranking der Top 100 des Wine Spectator.

FAKTEN:
Um die intensive Frucht und frische Säure des Rieslings zu bewahren werden die Trauben in den kühlen Nachtstunden gelesen, sofort in die Kellerei gebracht und gepresst. Die Moste lässt man nun sehr langsam bei kühlen Temperaturen vergären, damit die aromatische Frucht,  Zucker und Säure auf sanfte, natürliche Weise harmonisch miteinander verschmelzen.

Mit einem Restzuckergehalt von über 17 g/l ist dieser Riesling weitaus gefälliger und dem Alltagsgeschmack zuträglicher als der klassisch-knackig deutsche oder europäische Riesling mit mehr Säure und Mineralität.

Chateau Ste. Michelle
Riesling Eroica kostet je nach Anbieter 22-27 Euro. Louis Cuisine offerierte dazu eine leichte Meerrettich.Suppe mit Kabeljau und Kräutern

 

Wir wollen zeigen, wie Merlot sein kann!.

Die ‘Single Vineyards’, die Lagenweine bringen den Charakter des jeweiligen Weinbergs zum Ausdruck. Benannt nach Cold Creek, Canoe Ridge oder Horse Heaven. Wir kosten den Canoe Ridge Estate Merlot 2012. Dunkle Kirsche, viel Frucht. Gut, aber in der Parallelverkostung nicht vergleichbar mit dem H3, dem Horse Heaven Hills Merlot. Tiefes Purpurrot, kräftige Beerenaromen, Brombeere im Vordergrund.

«Merlot ist oft ein pummeliger Wein. Wird nicht selten für unter 10 Euro die Flasche verhökert und darüber findet sich wenig auf dem Markt. In Washington State entsteht ein überduchschnittlicher Merlot – einzig vergleichbar mit Qualitäten aus dem Tessin – und deswegen will Chateau Ste. Michelle zeigen, wie fantastisch ein Merlot sein kann in Preiskategorien 14-18 Euro.»

FAKTEN:
Für den H3 Horse Heaven Hills Merlot werden die Trauben sofort nach der Ernte gekeltert. Sieben bis 14  Tage gärt der Wein auf der Maische, daher seine kirschrote Farbe. Nach einer Reifezeit von 9 bis 14 Monaten in Eichenfässern wird er verschnitten. Der H3 besteht aus 96 Prozent Merlot, drei  Prozent Cabernet Sauvignon, einem Prozent Malbec..
Chateau Ste. Michelle
Canoe Ridge Merlot 2012 für ca. 24 Euro, H3 ca. 14 Euro, Syrah ca. 13 Euro.

Nie würde ich mir den bestellen!.

Ergänzt wird diese Rotwein-Episode durch der Chateau Ste. Michelle Syrah 2012. Die Foodhunterin ansonsten kein Liebling des Syrah  (nie würde ich mir Syrah bestellen!) wird an diesem Nachmittag eines Besseren belehrt. Süße, dunkelwürzige Beerenfrucht, feine Röstnoten und ein Hauch von Vanille. «Vollreife Trauben, die lange Fassreife und das seidige Tannin verleihen ihm eine samtweiche Fülle,», sagt Sander Vriend.  

FAKTEN:
Die Trauben für den Syrah werden während der warmen Tagesstunden gelesen, um eine rasche Gärung auszulösen, danach gemahlen und 7-8 Tage lang vergoren. Zweimal täglich wird die Maische mit etwa 80 % des Mostes überflutet, um den Trauben ein Maximum an Farbe und Fruchtaromen zu entziehen und den  konzentrierten Charakter des Syrah hervorzubringen. Nach einer sanften Pressung reift der Wein 14 Monate in französischer und amerikanischer Eiche, davon 20 % neu.

Chateau Ste. Michelle
Die drei Musketiere aus Napa Valley. Für Sammler besonders interessant, denn der Wein besitzt hohes reifepotenzial. Ab 49 Euro (Artemis 2012) über S.L.V. für ca. 120 Euro bis zum Cask 23 für ca. 200 Euro
Louis Cuisine Muenchen
Perlhuhnbrust mit gefüllter Zucchiniblüte – auch weißes Fleisch geht gut zum Rotwein, wenn es gut gewürzt ist.

Was in Washington State Erfolg hat, breitet sich nach Napa Valley aus.

Ste. Michelle Wine Estates und Marchesi Antinori, der Joint-Venture-Partner für Weingüter in Kalifornien und Washington State, haben Marcus Notaro zum Weinmacher für die Stag’s Leap Wine Cellars in Kalifornien gemacht. So entstand u.a. der Cask 23 Cabernet Sauvignon mit einem enormen Bukett: Veilchen, Cassis, schwarze Johannisbeeren, frische Brombeeren, Pflaume, Aromen von Eichenholz, Zeder, Kakao, Tabak bis hin zu Anklängen von kandierten Früchten, Nelken, Zimt und asiatischen Gewürzen.

FAKTEN:
Der Cabernet Sauvignon für CASK 23 stammt aus ausgesuchten Parzellen der benachbarten Weinberge S.L.V. (69 % der Trauben) und dem FAY Vineyard (31 % der Trauben) Im Blend verschmelzen sie zu einem fein nuancierten Spiel  von Farben und Aromen. Auf den vulkanischen Böden im östlichen Teil der Weinberge entfalten die Trauben eine konzentrierte Würze und elegantes Tannin. Auf den Schwemmlandböden im mittleren und unteren Teil  viel saftig frische Frucht. Um den individuellen Charakter jeder Parzelle zu bewahren, werden alle Partien separat vergoren und einige Zeit im Barrique ausgebaut, bevor der Weinmacher sie zum CASK 23 vermählt. Die lange, insgesamt 24-monatige Reife in Fässern aus französischer Eiche (88 % neues Holz, 12 % aus einfacher Belegung) bringt die feinen Nuancen der einzelnen Partien noch schöner zur Geltung und vollendet sie mit zarten Gewürznoten mit einem Hauch Karamell.

Chateau Ste. Michelle

Kaum minder interessant ist der 2012 S.L.V. Carbernet Sauvignon Stags Leap Wine Cellers mit hohem Reifepotenzial. Gemacht, um die Rotweinwelt aus den Angeln zu heben, denn Warren Winiarski ist mit seinem 1973er S.L.V. schon 1976 beim Pariser Wine Tasting an den Bordeaux Größen vorbeigezogen. Dabei war der Winzer gerade mal drei Jahre Besitzer des Stags Leap Weinguts.

FAKTEN:
Bis zu sieben Parzellen des Stags Leap Vineyards  liefern das Lesegut für den sortenreinen S.L.V. Cabernet Sauvignon. Die meisten Rebstöcke aus den 1970er-Jahren wurden durch Neupflanzungen ersetzt, um die Kraft dieses historischen Weinbergs zu bewahren. Die Grande Dame jedoch bleibt die 1972 gepflanzte Parzelle, deren Trauben noch heute den S.L.V. Blend veredeln.

Chateau Ste. Michelle

So neigt sich eine erfahrungsreiche Weinprobe ihrem Ende und wir sind überrascht wie sich Weine aus USA entwickelt haben. Durchaus ansprechend, herausfordernd und neue Maßstäbe setzend. Für Sammler und Profis hochinteressant als für uns, denn im Rotweinbereich erreicht die Preiskategorie die Champions-League.  Auch beim Riesling sind wir geeicht – auf säurebetonte Mineralität ohne zu hohen Restzuckergehalt und auf Preise, die eine tägliche Freude sind. Die Weine von Ste. Michelle sind jedoch ein guter Grund schlaflose Nächte in Seattle zu verbringen.

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